Die Liebe zum Gedicht entsteht durchs Tun

Ein Inter­view mit Rein­hard Lechner

Das Beste an Lyrik ist für Rein­hard Lechner ihre Schwie­rig­keit und Wider­sprüch­lich­keit in all ihren Klein­tei­lig­keiten. Er ist zu Gast in unserem Lite­ra­tur­salon am 14. Juni 2025.

BÖS: Sie waren nicht nur Mither­aus­geber des Lyrik­be­reichs beim Verlag Klin­gen­berg, sondern sind auch Erwach­se­nen­bildner. Wie beein­flussen sich diese beiden Bereiche gegenseitig?

Rein­hard Lechner: Das verbin­dende bezie­hungs­weise das sich beein­flus­sende Element ist sicher­lich die konzep­tio­nelle Arbeit gewesen. Ob ein Verlags­pro­gramm oder ein Weiter­bil­dungs­pro­gramm für ein halbes Jahr erstellt wird: Beide Bereiche wollen budgetär, inhalt­lich und zeit­lich sorg­fältig geplant und umge­setzt werden, Dead­lines sind einzu­halten und einzu­for­dern. Ob Buch oder Seminar, letzt­lich handelt es sich bei beiden nämlich auch um Produkte, die auf einem nach ökono­mi­schen Regeln funk­tio­nie­rendem Markt präsen­tiert werden. Die Menschen, die das jewei­lige Produkt produ­zieren und die, die es konsu­mieren, wollen in ihren Stärken, ihren Bedürf­nissen und ihren Eigen­heiten genau gekannt werden.

BÖS: Was ist das Beste an Lyrik?

Rein­hard Lechner: Ich halte es eher für schwierig, in Abso­lu­tismen zu denken, zu Beispiel eben was das beste ist. Aber wir leben in einer zeit der Zuspit­zungen, und es gibt tatsäch­lich eine Antwort, die ich Ihnen dazu geben kann, die nicht pauscha­li­sie­rend sein könnte.
Ich finde, das ‘Beste an Lyrik’ ist ihre Schwie­rig­keit und Wider­sprüch­lich­keit in all ihren Klein­tei­lig­keiten. Ein gutes Gedicht ist schwer zu schreiben, die Lyrik als Sprach­form ist weit weg von der Alltags­sprache aufzu­finden, das lyri­sche Schreiben braucht das rich­tige Maß an Kontem­pla­tion und Konzen­tra­tion in der Vorbe­rei­tung, an Isola­tion und an Kommu­ni­ka­tion, an Ratio­na­lität und Emotio­na­lität. Und das fertige Gedicht ist dann ‘undankbar’, denn im Grunde lesen nur wenige Lyrik. Viel­mehr beklagen Menschen, sie verstehen Lyrik ohnehin nicht. Und als Autor:in ist man meist nicht zufrieden mit dem Gedicht, es fühlt sich meist unfertig ein. All das macht Lyrik zu einem heraus­for­derndes Gemisch für Herz und Kopf, und so trifft es zu, wenn Wolf Wondraczek sagt: ‘Lyrik ist fast nichts, aber das total’. Diese Heraus­for­de­rungen sind ‘das Beste an Lyrik’ aus meiner Sicht, und ich meine, sie treffen genauso auf die Dichter:innen wie auf die Leser:innen zu. 

BÖS: Wie vermit­telt man Erwach­senen Lyrik?

Rein­hard Lechner: Ich halte gar nicht allzu viel davon, Lyrik zu vermit­teln. Am frei­esten und am nach­hal­tigsten entsteht wohl auch die Liebe zum Gedicht durch ‘tun’. Man liest oder schreibt eines, irgendwo, irgend­wann, und es packt einen! Die ‘Pflück­ge­dichte’ in Wien sind dafür ein gutes Beispiel. Ein Vergleich: Ich würde auch das Pilze suchen, das ‘unser’ Nobel­preis­träger Peter Handke bekannt­lich sehr liebt, nicht in einer ‘lehre’  vermit­teln. Okay,  einmal lohnt sich ein geführter Wald­spa­zier­gang sicher­lich, um die Grund­lagen zu erwerben. Aber dann ist das Schöne doch eigent­lich, auf eigene Faust nach einem Regen in den Wald zu gehen und zu suchen, dem Duft zu folgen. Ohne Erwar­tungen, ohne Gegen­leis­tungen, ‘absichtslos’ heißt es bei Handke sehr gerne, passiert die Aneig­nung  am verläss­lichsten. Dies ist schwer erzie­he­risch herzu­stellen und ist so eine Grund­her­aus­for­de­rung  für die zeit­ge­mäße Pädagogik, die stark in ‘Lern­zielen’ funk­tio­nieren will.

Herz­li­chen Dank für das Gespräch.

 

Der Lite­ra­tur­salon im BÖS-Atelier findet am 14. Juni 2025 ab 19 Uhr statt. Neben Rein­hard Lechner lesen Mari­anne Jung­maier und Stefanie Pichler.