An einem Lyrikabend der Schwerkraft entkommen
Ein Bericht von Tobias March und Cornelia Stahl
An einem heißen Samstag, am 14.06.2025, fand im BÖS-Atelier der zweite BÖS-Literatursalon statt. Die Gäste kamen, um den Lesungen der Autor:innen Marianne Jungmaier, Stefanie Pichler und Reinhard Lechner zu lauschen. Es moderierte Cornelia Stahl.
Den Auftakt des Abends gestaltete die gebürtige Oberösterreicherin Marianne Jungmaier. Sie präsentierte ihren Lyrikband „Gesang eines womöglich ausgestorbenen Wesens“, der 2024 im Otto Müller Verlag erschien. Darin spiegelt die Autorin sinnliche Erfahrungen in und mit der Natur. Jungmaier erzählte, dass sie sich vor zehn Jahren erst durch den Besuch von Petra Ganglbauers BÖS-Lyrikworkshop für das Schreiben von Gedichten ermächtigt genug fühlte und dank des BÖS die ersten lyrischen Schritte ausprobierte. Nun, nach über zehn Jahren, hat Jungmaier mittlerweile drei Lyrikbände veröffentlicht. In ihrem Gedicht „Silva domestica (=Hauswald)“ heißt es: “Sie verwerfen, was nicht hält. Alles muss weich sein in diesen Wänden und grün.” Im Gedicht “Birkengrund” geht es um eine hundertfünfzig Jahre alte besondere Birke aus dem Almtal, die fast schon tot scheint, aber für Jungmaier eine große Bedeutung hat und zum Ausgangspunkt ihrer Gedichte wird: “Wo die Spinne lebt. Ein Sitz im lichten grün. Hineintürklettern, mich an derselben Stelle auszuruhen. Der Schwerkraft entkommen. Elefantensafaripoesie.”
Stefanie Pichler, die zweite Lesende des Abends, stammt wie Jungmaier ebenfalls aus Oberösterreich und stellte ihr 2021 im Sonderzahl Verlag erschienenes Buch „Lebensadern : Frauenleben“ vor. Darin verwebt die Autorin die Lebensverläufe und Schicksale vieler Frauen im Kunst- und Kulturbereich und reichert sie mit Gedanken der Erzählerin und Reflexionen an. „Wir schworen uns niemals Künstlerinnen zu werden.“ Pichler zeichnete und fertigte Collagen eigens für dieses Buch an. In ihren Texten fragt sie danach, was Emanzipation und Selbstverwirklichung gegenwärtig bedeuten kann. „Sie lebe mit einer Frau zusammen. Ich fragte sie, warum das nie in den ganzen Gesprächen erwähnt hatte. Sie sagte, ob ich das die anderen Frauen auch gefragt hätte.“
Den Abschluss der Lesung bildete Reinhard Lechner, gebürtig aus Bruck an der Mur, der Autor und Übersetzer (aus dem Französischen) ist. Abwechselnd las er aus seinem veröffentlichten Gedichtband „Portraits mit Riesenkalmar“, der in der Edition Melos 2022 erschien und aus seiner Übersetzung (aus dem Französischen) von Jean Perrons „Die einfache Ekstase des Atmens“ (Klingenberg Lyrik, 2023). In seinen Gedichten holt er einmal den Mobber Patrick vor den Vorhang, der ständig gemein war: „Wenn Jenny ihre Eins schrieb, wenn David bei jedem Wort mit sp zu stottern begann, wie einmal die Frau Klassenvorständin Patrick die Faust öffnete.“ Die Klassenvorständin beauftragt Patrick mit der Bewachung und Betreuung eines Kükens. Dann fehlt Patrick lange Zeit in der Schule. „Inzwischen fehlte sein Schabernack, die Polizisten suchten, im Strahl der Taschenlampen (nach ihm). Bis Patrick wieder auftauchte. Zerzaust. In der Hand das graue Küken.“
Vor dem Ausklang des Literatursalons eröffnete die Kunsthistorikerin Brigitta Höpler die Ausstellung „Heimspiel“ im BÖS-Atelier, die von BÖS-nahen Künstler:innen gestaltet wurde.
Vielen Dank an alle, die zum Gelingen dieses schönen Sommerabends beigetragen haben!
Fotos: Brigitta Höpler und Tobias March