Frauen als lite­ra­ri­sche Figuren

Ein Inter­view mit Gabriele Kögl

Sie möchte Frauen eine Stimme geben, die nicht selbst für sich spre­chen wollen oder können – wie in ihrem letzten Roman “Brief vom Vater”. Ein Inter­view mit Gabriele Kögl über Recher­chen, den “Römer” und Sportwagen

BÖS: 2020 waren Sie schon einmal zu Gast mit “Gips­kind”, im November lesen Sie aus “Brief vom Vater”, erschienen 2023. Wie viel Zeit geben Sie sich, wenn Sie einen Roman schreiben?

Gabriele Kögl: Mindes­tens zwei Jahre. Am liebsten drei bis vier. Ein Roman verlangt ein tiefes Hinein­denken in die Materie und viel Recherche, auch wenn man es ihm nicht ansieht. Oft sind es nur ein paar Sätze, die einiges an Hinter­grund­wissen verlangen. Und damit die selbst­ver­ständ­lich daher­kommen, muss man sich ausgiebig mit einer Sache beschäf­tigen, finde ich. So habe ich im „Brief vom Vater“ den Sohn einen Fern­kraft­fahrer sein lassen. Es ist zwar kein großes Thema im Buch. Aber damit es sich plau­sibel einfügt, habe ich mir etliche Dokus über die Arbeit von Trucker-Fahrer und das Milieu, in dem sie sich bewegen, ange­sehen. Ich lege Wert darauf, dass alles in einem Roman stimmt und nach­voll­ziehbar ist. Mich ärgert es beim Roman­lesen sehr, wenn ich Unge­nau­ig­keiten entdecke, weil schlampig recher­chiert wurde.

BÖS: Was waren Ihre literarischen/beruflichen High­lights seit Ihrem letzten Besuch im BÖS-Atelier?

Gabriele Kögl: Der „Brief vom Vater“. Das Buch wurde sehr gut und ausgiebig bespro­chen. Ich hatte span­nende Lesungen, die mich auf der Buch­messe in Frank­furt bis in den “Römer” führten. Und das war dort fast ein Popkon­zert. So viele Menschen, tolle Stim­mung! Und groß­ar­tige Kolleg:innen, die dort vor und nach mir gelesen haben.

BÖS: In Ihren Romanen spielen jeweils Frauen eine tragende Rolle, abge­sehen von “Vorstadt­himmel”, wo Hein­rich im Mittel­punkt steht. Was fällt Ihnen leichter – weib­liche oder männ­liche Protagonist:innen?

Gabriele Kögl: Ich schreibe lieber über Frauen, weil sie mir im Denken und Fühlen näher sind. Im Vorstadt­himmel hat Margot, die Geliebte des Zahn­arztes, auch eine wich­tige Rolle. Vor allem was den sozialen Aspekt einer allein­er­zie­henden Mutter betrifft. Aber um einen Empor­kömm­ling zu zeigen, der es besser machen möchte, als seine Eltern es gemacht haben, dafür war mir ein Mann greif­barer. Außerdem hat es Spaß gemacht, mit dem Klischee eines Zahn­arztes zu spielen. Und ich habe bei den Recher­chen nicht nur einiges über Zahn­me­dizin sondern auch über Sport­autos gelernt. Heute weiß ich, was Menschen – und vor allem Männer – faszi­nie­rend daran finden, wenn ein Motor aufheult oder wie sich ein Auto in die Kurven legt. Ich weiß nun auch, was ein Murcié­lago ist und woher dieser Lambor­ghini seinen Namen hat. Mit dem Wissen, das ich mir bei den Recher­chen zu diesem Buch ange­eignet habe, konnte ich schon manchen Auto­freak beein­dru­cken. Selber habe ich noch nie ein Auto besessen.
Bei Frau­en­fi­guren ist es mir wichtig, jenen eine Stimme zu geben, die sie selber viel­leicht nicht erheben können. Ob es das Kind in „Das Mensch“ ist, die alte Frau mit dem großen Schicksal in „Höllen­kinder“, die von ihrer Familie völlig mißver­standen wird oder Rosa im „Brief vom Vater“, die mit den Selbst­morden von Ex-Mann und Sohn fertig werden musste. Resi­lienz ist in meinen Geschichten meist ein wich­tiger Aspekt. Und Frauen bewäl­tigen schwie­rige Lebens­si­tua­tionen oft besser, klüger und krea­tiver als Männer, deshalb sind sie als lite­ra­ri­sche Figuren meis­tens inter­es­santer für mich.

 

Gabriele Kögl liest gemeinsam mit Thomas Perle und Katha­rina Köller am 11. Oktober 2025 ab 19 Uhr beim Lite­ra­tur­salon im BÖS-Atelier.