Gehen als Gedankenbewegung

Ein Inter­view mit Brigitta Höpler

Die künst­le­ri­sche Praxis des Gehens fließt in Brigitta Höplers neuen Schreib­work­shop ein. Im Inter­view erzählt sie, wie daraus Geschichten entstehen.

BÖS: Wie hängen Sommer und Schreiben für Dich zusammen?

Brigitta Höpler: Im Sommer dehnt sich das Leben in den Stadt­raum aus. Mauer­segler ziehen ihre Linien in den Abend­himmel, die Hand auf dem Blatt Papier. Tauben gurren, Linden­blü­ten­duft breitet sich aus, der Asphalt ist warm bis in den Abend hinein. Mein Schatten folgt mir im Sonnen­licht, oder geht mir voran. Ich kann überall sitzen und schreiben. Die Geschichten liegen auf der Straße.

BÖS: Was macht für Dich die Faszi­na­tion der Stadt als Schreib­in­spi­ra­ti­onsort aus?

Brigitta Höpler: Alles einmal Gesche­hene hinter­lässt Schwin­gungen im Äther und man müsste nur die Tech­no­logie erfinden, um diese wieder in Sicht­bares umzu­wan­deln“ schreibt Anton Philipp in seinem Buch „Genia Loci“. Diese Tech­no­logie habe ich zwar nicht erfunden, aber es macht mir unend­lich viel Freude, den Subtext der Stadt zu lesen, Verbin­dungen herzu­stellen zwischen den „zerstäubten Resten“ im Stadt­ge­füge und der sicht­baren Stadt­ober­fläche. Mate­ri­elle und imma­te­ri­elle Bestand­eile fügen sich inein­ander. Die entste­henden Fugen geben der Phan­tasie Raum.
Mit allen Sinnen eintau­chen in die Umge­bung, dem auf der Spur zu sein, was das Wesen eines Ortes, die spezi­elle Atmo­sphäre ausmacht. Die Genia Loci suchen. Einen Ort ent-decken. Gehend, empfin­dend, schrei­bend, sammelnd, aufle­send, skiz­zie­rend, notie­rend, colla­gie­rend.
Schreiben und Gehen ist Bewe­gung von einem Punkt aus, in der Stadt, auf dem Papier.

BÖS: Du bringst den Begriff der Walking Art ins Spiel. Kannst Du das ein wenig näher beschreiben?

Brigitta Höpler: Kurz gesagt ist die Walking Art ist eine künst­le­ri­sche Praxis des Gehens. Aus der Erfah­rung des Gehens entstehen Kunst­werke unter­schied­li­cher Art.  Die Walking Art vereint zwei Akti­vi­täten, das Gehen und das Schaffen von Kunst. Geprägt hat den Begriff der Künstler Hamish Fulton in den 1960er Jahren. Gehen als Refle­xion, Gehen als Erin­nern, Gehen als Wider­stand, Gehen als Selbst­er­mäch­ti­gung, Gehen als Notwen­dig­keit, Gehen als Gedan­ken­be­we­gung, Gehen zur Konzept­erstel­lung, Gehen als Kunst.
In mein Seminar Walking Words – Gehen und schreiben bringe ich unter­schied­liche Impulse und Anre­gungen aus der Walking Art für inspi­rie­rende, vergnüg­liche Stadt­be­ge­hungen rund um das BÖS ‑Atelier in Meid­ling. Wahr­neh­mungs­er­wei­te­rung und Perspek­tiv­wechsel garantiert!

 

Der Schreib­work­shop “Walking Words – Gehen und Schreiben” findet am 20. Juni 2025 statt. Anmel­dungen gerne an office@boesmail.at