Laudatio auf Tobias March – Vorarl­berger Lite­ra­tur­preis 2025 (22. April 2025)

Laudatio auf Tobias March – Vorarl­berger Lite­ra­tur­preis 2025 (22. April 2025)

bezie­hungen“ heißt die Samm­lung an Prosa­ge­dichten, die Tobias March für den Vorarl­berger Lite­ra­tur­preis 2025 einge­reicht hat. Es geht darin etwa um den – ich zitiere: „fami­li­en­ge­ruch der verhaftet und fest­hängt“ an jedem, an jeder von uns. Es geht – natür­lich – um die Liebe, die unstet ist wie befürchtet. Es geht ums Jung­sein und Altsein, um Respekt und unser Mitein­ander. Um Bezie­hungen eben.

Eine ganz beson­dere Bezie­hung pflegt der Autor, der in Fußach aufge­wachsen ist und heute in Wien lebt, schon seit Kinder­tagen: nämlich jene zur Lite­ratur. Ein Flyer der literatur.vorarlberg brachte den damals 12-Jährigen zu seinem ersten Schreib-Work­shop. Gedichte, Kurz­ge­schichten und Thea­ter­stücke sind seither entstanden. Heute leitet Tobias March selber solche Work­shops: in Wien an der Volks­hoch­schule; für literatur.vorarlberg oder für das W*Ort in Lust­enau, wo Kinder und Jugend­liche schrei­bend kreativ sein können. Mit Themen, die sie inter­es­sieren und angehen.

Auch in seinen Texten greift Tobias March auf Erfah­rungen seiner Gene­ra­tion zurück, lotet mal nüch­tern, mal poetisch und bild­haft Gefühle, Stim­mungen, Stand­punkte aus. Unauf­fällig kommen manche Texte zuerst daher, wie von leichter Hand geschrieben, um dann eine Pointe zu setzen, die trifft. Etwa, wenn das erzäh­lende Ich „tote, fast tote“ zu betreuen hat und nicht weiß, worüber mit ihnen reden. Über den Geschirr­spüler, der fast voll ist? Über den Regen draußen? Belanglos! Da fängt er an, die alten Menschen einzu­cremen. Hände, Arme, mehr. Aber ohne Latex­hand­schuhe, wie es die Profis machen. Nein, erst Haut an Haut wird eine echte Bezie­hung daraus. Weil:

viel­leicht ist es doch noch wichtig berührt zu werden von einem menschen – berührt zu werden bevor man das letzte mal atmet nichts mehr spürt

Tobias March beweist in diesen Prosa­ge­dichten nicht bloß sein Gespür für einfühl­sames, dichtes Erzählen, sondern ebenso für einen eigenen Rhythmus, der sich an Slam Poetry anlehnt und bestimmt vom Autor gleich viel besser vorge­tragen wird. Der Sound der Texte hat zugleich etwas Leichtes, Lebens­frohes und manchmal blitzt es zutiefst verschmitzt durch die Zeilen. Zum Beispiel wenn er Ulrikes Problem mit Kram­pussen, diesen Teufels­ver­tre­tern, nach­zu­voll­ziehen versucht, Gestalten die uns zurück auf den rich­tigen Weg treiben sollen. Und dieser Weg, das wissen wir, ist in Vorarl­berg stets arbeitsam!

Das Resümee der Erzählstimme:

es ist auch okay nichts zu tun und nichts zu sein
nichts zu wollen und einfach zu atmen füße ausstre­cken sich selbst fühlen
die luft fühlen und nicht auf weiße weih­nachten hoffen

Alles ist mit allem verbunden in den Texten. Auch das Private und das Poli­ti­sche lassen sich nicht mehr vonein­ander trennen. Selbst nicht auf dem regen­bo­gen­bo­gen­ball, wo sich die Tänzer und Tänze­rinnen drehen, kostü­miert, gender­fluid, doch die selbst­ver­ges­sene Leich­tig­keit fehlt, denn weiter im Osten, in der Ukraine, ist Krieg.

Eine Haltung, eine Bezie­hung zu dieser dispa­raten Welt – und damit zu sich selbst – finden. Für die eigenen Über­zeu­gungen eintreten, und sie auch mal hinter­fragen. Das schwingt ständig mit. In einem Text heißt es ein wenig trotzig:

wer kann mir verbieten einen eigenen kopf zu haben frage
ich mich immer immer wieder…

Niemand, lieber Tobias. Bewahre dir deinen eigenen, empa­thi­schen und krea­tiven Kopf. Wir freuen uns auf mehr Texte von dir.

Herz­li­chen Glück­wunsch zum Vorarl­berger Literaturpreis!

 

Foto: Archiv Tobias March