Ausschnitt aus „Die Tauben von Brünn“

Ein Text von Bettina Balàka

Der Mensch umgibt sich gerne mit den Bild­nissen von Tieren, Fabel­tieren und tier­mensch­li­chen Misch­wesen. Überall in den großen Gärten und Park­an­lagen, vor den Palästen und auf den Dächern stehen Pega­susse und Sphinxe, Einhörner, Zentauren, Löwen und Greife. In den Brunnen tummeln sich Delphine und Meer­jung­frauen, stei­nerne Vasen werden von stei­nernen Affen umklam­mert, gelockte Widder stehen Wache vor Stie­gen­auf­gängen. Auf Friesen umla­gern stei­nerne Jagd­hunde erlegte, an den Füßen aufge­hängte stei­nerne Enten. Auf den vorneh­meren Jagd­waffen sieht man geschmie­dete Tiere, Eber­köpfe am Sauspieß oder ein silbernes Affen­köpf­chen am Pistolenknauf.

Die Kirchen werden von Schlangen und Eidechsen und Kröten beschützt. Rinder, Hunde, Ziegen­dä­monen und Löwen­dra­chen dienen als Wasser­speier. Auf den Tapis­se­rien und Tapeten tummeln sich Pfauen, Papa­geien und Para­dies­vögel aller Art. Auf kost­baren Schränken und Stühlen sind im Hoch­re­lief Meeres­un­ge­heuer, Schafs­köpf­chen und Löwen­tatzen aufge­schnitzt. Jedes Wappen, das etwas auf sich hält, zeigt einen Adler, Löwen, Bären oder wenigs­tens ein Schaf. Kein Feld­herr würde sich in Bronze ohne sein Pferd abbilden lassen. Tauben verkünden den Frieden und den Heiligen Geist. Stei­nerne Herku­lesse erschlagen stei­nerne Drachen und sind mit einem stei­nernen Löwen­fell umgürtet, dessen Pranke auf dem Ober­schenkel liegt. Den Löwen hat Herkules vor dem Drachen erschlagen, er ist nur mehr Klei­dungs­stück und wirkt doch so, als würde er die Krallen noch in das nackte Fleisch des Helden hineinbohren.

Der Mensch hält es nicht aus ohne Tiere, überall will er von ihnen umgeben sein, er tötet sie, um ihnen gleich darauf ein Denkmal zu bauen, er erfindet sie und rottet sie aus.

Und dann gibt es da noch die echten Tier­kör­per­teile, die Trophäen: Geweihe prangen an den Wänden, Bären­felle mit Köpfen auf den Fußböden, und noch in der schä­bigsten Gast­wirt­schaft steht ein ausge­stopfter Marder oder Eichel­häher auf dem Regal. Fächer und Hüte werden von Federn geziert, manchmal von ganzen Flügeln. Das Elfen­bein der Armreifen und Para­sol­griffe stammt gar nicht von Elfen, (was ein Trost für die Elfen­lieb­haber ist), sondern von den Stoß­zähnen weit weg lebender Elefanten. Im Winter verschwinden die Hände der Damen in Pelz­muffs mit daran baumelnden Nerz­pfoten, an ihren Hälsen beißen Füchse mit flach­ge­drückten Köpfen und Glas­augen sich in den eigenen Schwanz. Die Körper der Tiere und Menschen verschwimmen.

Bettina Balàka, 2019
Aus: „Die Tauben von Brünn“, Roman, Deuticke Verlag, Wien 2019

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Bettina Balàka unter­richtet im Work­shop „Inspi­ra­tion und Recherche“, 14./15. März 2020

Foto: C. Mavric