Frauenliteratur – Männerliteratur?
Texte von Alexandra Schneider und Anita Steidl
Anita Steidl
Florian (Inspiration Stil Friederike Mayröcker)
Ich ging die Stufen hinab mit dem Wassereimer aus Emaille. Blau wie dein Mantel in Kinderbuch-illustrationen, mein Kopf voller Sirenen, ich dachte, wenn der Himmel brennt, löscht man mit Gedichten?, du standest am Fenster, Heiligenschein aus Blech, sagtest: Ein Tropfen genügt manchmal aber ich hörte nur Pferde, wie sie in Flammen aus dem Traum ritten – die Glocke, die ich nie vergessen kann, sie schlägt in mir weiter, FLORIAN Patron der verrosteten Helme Der Angst im Dachstuhl Du warst auch nur ein Soldat.
Maifest (Inspiration Stil Helena Adler)
Die Wiesen waren zu grün, die Kühe zu fett, die Sonne zu gelb. Ich stand barfuß auf dem Acker wie eine schlecht gestimmte Geige. Mutter hatte mir wieder die Haare geschnitten mit dem Brotmesser.
Der Wind war ein Besoffener und der Apfelbaum lachte. Alles lachte. Die Mistgabel, die Krähen, sogar das Scheunentor quietschte wie ein pubertierendes Mädchen. Ich wollte brennen, aber der Regen kam zu früh. Wie Vater immer.
Wir gingen zum Maibaumaufstellen, das ganze Dorf roch nach billigem Bier und Maiglöckchenparfum. Tante Traude schrie wieder irgendetwas von der alten Zeit.
Dann kam der Tanz.
Dann kam der Suff.
Dann kam ich nicht mehr heim.
Oder vielleicht war ich nie weg.
„Fisch“
1.
Sonntagmittag. Kirchenglocken. Blasmusik. Alle sind unterwegs Richtung Dorfplatz.
Elvira sitzt allein daheim. Seit ihre Beine so schwer sind, kommt sie kaum noch aus dem Haus. Heute wird sie sich aber ein Festmahl kochen.
Im Kühlschrank liegt die Forelle, glatt glänzend; bereit zur weiteren Bearbeitung. Klaus hat sie ihr gestern gebracht. Er weiß, dass sie Fisch so gern isst. Er war unterwegs mit den Enkelbuben, den ganzen Tag haben sie am Wasser verbracht und so stolz waren sie auf den Fang.
2.
So geschwind war Klaus wieder abgefahren mit den Buben. Gleich ist sie wieder allein gewesen. Wo waren die Tage hingekommen, als sie mit den Kleinen draußen herumgetollt ist, Verstecken gespeilt hat rund ums Haus und „Der Hase läuft über das Feld“.
Aber jetzt ist es immer ruhig bim Haus. Sie stemmt sich aus dem Sessel hoch, stützt sich am Rollator ab und schleift ihre Beine Richtung Kühlschrank. Die Forelle nimmt sie heraus, tupft sie ab und salzt sie, dann reibt sie den Fisch mit Zitrone ein und füllt ihn mit Petersilie. Dieser Rollator ist ein Segen. Sie kann sich draufsetzen und innehalten.
3.
Schwindelig ist sie heute. Der Wetterumschwung setzt ihr zu. Sie muss eine Pause machen. Vielleicht etwas trinken.
Aber dazu müsste sie hinüber zur Abwasch, zum Wasser, zum Glas. Das ist ihr jetzt alles zu viel.
Der Fisch liegt vor ihr. Sie hat sich so gefreut darauf, aber jetzt fehlt ihr die Kraft. Die Kraft zum Schmalz aus dem Kühlschrank holen, die die Kraft um die Pfanne auf den Ofen zu stellen.
Der Schwindel wird stärker. Hat sie heute Morgen das Rufhilfearmband angelegt? Ihre Beine geben nach, es wird dunkel um sie. Wer wird sich um die Forelle kümmern?
Und wer um sie?
Alexandra Schneider
Liebe schmerzt (Inspiration Stil Caroline von Günderrode)
Die Liebe finden,
sich in ihr winden;
Zusammen sein,
sich nach Liebe sehnen,
die Liebe lässt mich lähmen;
Getrennt sein.
Warum soll ich lieben,
ich will nur fliegen;
Du willst mein Herz,
mein Glück zu zweit finden,
lässt mich selbst schwinden;
Ich spüre nur meinen Schmerz.
Ich soll lieben,
möchte aber fliegen;
Spürst du den Schmerz,
wir sind verschworen,
ich bin verloren;
lass los mein Herz.
Am Morgen (Inspiration Stil Friederike Mayröcker)
Ich tauche auf am frühen Morgen, einen Schleier vor den Augen, sinke zurück ins Dösen. Gesprächsfetzen von gestern Abend schweben heran, ich drehe mich um, vergrabe mein Gesicht im Polster. Geräusche verdumpfen, Gedanken poltern heran, kein Schweben mehr, die Schwerkraft nimmt überhand.
Tiefes Seufzen, Strecken der müden Knochen, mühsames Blinzeln. Der Schleier schwindet, Ecken und Kanten werden sichtbar. So wache ich auf, in Starre und Gewissheit, das Leben saugt mich aus.
Die Texte sind im Schreibworkshop “Frauenliteratur - Männerliteratur?” mit Kathrine Bader entstanden.