Texte von der Quelle

Texte von Maria Aschen­wald und Karin Leroch

Maria Aschen­wald

Fund­stücke

Stock und Stein

Sie war noch immer voller Eleganz. Obwohl jedes Grün von ihr bereits gewi­chen war und sie jede Saftig­keit verloren hatte, wirkte die hell-dunkle Mase­rung, das Inein­an­der­greifen der verschie­denen Beige- und Braun­töne, das ein inter­es­santes Muster erzeugte, anzie­hend. Die einge­trock­neten Rinden­reste waren ihr ein außer­ge­wöhn­li­ches Outfit mit einem markanten Gelb­tupfer – ein letzter Farb­schrei. So lag sie – wie lange wohl schon? Hinab­ge­fegt vom Sturm oder einfach alters­müde abge­fallen, und verwan­delte sich mit jedem Regen, jedem Sonnen­schein, jedem Tag. Verän­derte ihr Erschei­nungs­bild mit Würde und hatte Gesell­schaft gefunden – Boden­ge­sell­schaft. Wahr­schein­lich sogar eine Alters­liebe – eine ruhige, wissende Liebe voller Wohl­wollen. Sie wusste um ihre Vergäng­lich­keit und genoss jeden Tag, den sie ihrem Stein nahe sein konnte.
Er war eine Zufalls­be­kannt­schaft – hinge­worfen und aushar­rend und von einer schlichten Schön­heit. Beständig natür­lich, aber auch gefährdet.Gefährdet, gefunden und in eine Hosen­ta­sche gesteckt zu werden, denn er war kein Schwer­ge­wicht. Aber hübsch anzu­sehen, dunkel und von feinsten Linien und einigen auffal­lenden weißen Mustern über­zogen.
So habe ich sie mitge­nommen die Ästin und den Steiner, damit sie nicht getrennt werden.
Doch dann bin ich am Weg dem früheren Gefährten der Ästin begegnet. Ganz geknickt lag er am Weg, gebro­chen vom Verlust seiner Baum­liebe. Den Aster hatte der Wind wohl in eine andere Rich­tung geweht. Er lag einsam. Sein Rinden­gelb schrie um Hilfe.
Ich konnte nicht anders. Ich musste auch ihn mitnehmen.
Wie das jetzt zu Hause auf meiner Fens­ter­bank weiter­gehen soll? Keine Ahnung. Hoffent­lich keine Eifer­suchts­dramen!
Viel­leicht freundet sich der Aster ja mit der zarten Ahornin an.
Viel­leicht ein Happyend auf der Fensterbank.

Karin Leroch

Zurecht­ge­stutzt

Im Bad Tatz­manns­dorfer Kurpark, wo sonst jede Pflanze wachsen darf, wie sie möchte, steht auch ein stei­nerner Trog mit Blumen. Was mir daran ins Auge sticht, ist das Bäum­chen, das aus der Mitte der Blumen hoch­wächst. Es sieht für mich Pflan­zen­un­ken­nerin wie eine Thuje aus. Es hat nicht eine Krone, sondern drei runde buschige Kronen über­ein­ander. Zwischen den drei Buschen ist der schlanke gerade gewach­sene Stamm zu sehen.
Ist das Bäum­chen so gewachsen? So geschnitten?
Ich bin zwar eine Bäum­chen-und-Sträu­cher-Ahnungs­lose, bin mir aber sicher: Geschnitten! Da hat jemand die Astreihen so getrimmt, dass, wie bei einem Pudel, drei Puschel über­ein­ander stehen! Und wem gefällt so etwas?
Also, ich finde es würdelos.
Das Bäum­chen steht selbst­be­wusst da. Aber keine Pflanze, kein Tier, eigent­lich niemand sollte so zurecht­ge­stutzt werden, um zu gefallen!
Ich bin auch zurecht­ge­stutzt worden, musste als Kind gegen meinen Willen Schleifen im Haar tragen und Röcke in Weiß. Ich musste persön­lich­keitslos bleiben, nicht zornig werden, und durfte nur Stum­meln an Abgren­zung und Selbst­ver­tei­di­gung ausbilden.

Die Gedanken dichten sich
und aus mir bricht ein Gedicht:
Sauber bleiben, nichts vergessen,
höflich lächeln, alles essen
auf dem Tisch.
Meine Hände immer frisch.
Weiß der Rock, auch wenn, weiß Gott,
dafür wirk­lich keinen Bock.
Alles, was ich nicht so mag:
Lernen, was es jeden Tag
in der HAK zu lernen gab.
Kauf­män­ni­sche Nöti­gung,
Buch­hal­tungs­be­tä­ti­gung.
„Wüst leicht nur Friseurin werdn,
Hoa zerfit­zeln, woschn, färbn?
Oda Schuach­ver­kei­ferin,
Kasfiaß­weiber-groblerin?“
Alles, was ich auch nicht mag.
Also wurde es die HAK.
Meine Schienen warn gelegt,
die Büro­mam­sell perfekt.
Ziem­lich bald zermürbte schon
diese fremde Perfek­tion.
Trotzdem versank ich im Büro,
wenn ich auch ins Schreiben floh.
Damit die Seele nicht ertrank,
schrieb ich kurz und schrieb ich lang,
schrieb im Bett und schrieb am Klo,
schrieb mich dann aus dem Büro,
aber erst kurz vor der Rente.
Hoffte, dass ich’s früher könnte,
doch jetzt bin ich alt und frei.
Alt und immer noch dabei.
Kann jetzt tun, was ich gern tu.
Meine Seele gibt mehr Ruh.
Denk ich könnte, wie der Baum,
mit den rund­ge­trimmten Kronen
stolzer sein auf meine Taten
und mich mit Applaus belohnen.

 

Die Texte sind im Rahmen des Sommer­schreib­work­shops “Schreiben an der Quelle” mit Cornelia Stahl entstanden.