Die Presse: Ausdauer macht den Autor. Ein Artikel von Claudia Dabringer.
Erschienen in Die Presse am 10. November 2019
Auf der „Buch Wien“ stellten 480 AutorInnen ihre Werke vor. Schreiben kann man lernen, doch die richtige Einstellung dazu ist unabdingbar.
Von Claudia Dabringer
„AutorIn ist man dann, wenn man nicht nur schreibt, sondern auch publiziert“, sagt Barbara Rieger, Leiterin des Lehrgangs Schreibpädagogik in Wien. Trotzdem sei es eine persönliche Entscheidung, ob man sich bereits ab der ersten Veröffentlichung in einer Anthologie oder erst nach drei Büchern als solche/n bezeichnet. Für Marlen Schachinger, künstlerische Leiterin des Instituts für narrative Kunst INK, ist AutorInnenidentität ein Lebensmodell: „Nur für wen Schreiben und Leben eine untrennbare Einheit sind, sollte sich in meinen Augen so nennen.“
Der Lehrgang Schreibpädagogik besteht aus sieben aufeinander aufbauenden Modulen und weiteren neun Workshops, die frei zu wählen sind. Darunter finden sich Themen wie Schreiben für SeniorInnen, für Kinder und Jugendliche, aber auch Lyrik, Epik und Rhetorik für AutorInnen: „Wenn man den Lehrgang macht, ist man nicht automatisch AutorIn. Niemand wird gezwungen zu publizieren. Nichtsdestotrotz sind sehr viele SchreibpädagogInnen auch AutorInnen, beispielsweise Gertraud Klemm, Britta Mühlbauer oder Daniela Meisel“, erläutert Rieger. Das INK unterstützt ein geplantes AutorInnendasein „mit Realismus, Einblicken in die Branche, fundiertem Wissen über Literaturwissenschaft, Literatur und Gestaltungsmodi“, sagt Schachinger. In sechs Semestern geht es unter anderem um Storytelling, Stil- und Gattungsfrage sowie Strukturprinzipien.
Gewisse Talente oder Begabungen sind für AutorInnen unabdingbar, Leidenschaft für Sprache und Schreiben gehört dazu. „Fast genauso wichtig sind aber Ausdauer und Kontinuität. AutorInnen sollten fähig sein, sich regelmäßig an den Schreibtisch zu setzen und die Schreibarbeit als Prozess begreifen, der auch Rückschläge und Frustration beinhaltet“, sagt Karin Fleischanderl, künstlerische Leiterin der Leondinger Akademie für Literatur. Durchhaltevermögen sei Voraussetzung. In acht Wochenendmodulen unterstützt die Akademie beim Fertigen eigener Texte, die zur Veröffentlichung angeboten werden können, und will jene literarische Kompetenz vermitteln, die es TeilnehmerInnen ermöglicht, sich auf dem literarischen Markt zu bewegen. „Hybris und Demut. Soll heißen: die irre Anmaßung, Sprache zu beherrschen und die Fügsamkeit, zu erkennen, dass diese sich nie und nimmer beherrschen lässt“, führt Fritz Ostermayer als Grundvoraussetzungen an. Er ist künstlerischer Leiter der Schule für Dichtung, die in Analog- und Digitalklassen den Studierenden Schreibinspirationen und Begleitung anbietet. „Wir dienen unseren Studierenden als Katalysator und Durchlauferhitzer, und stehen ihnen als Partner in Crime, Spielertrainer und Cheerleaders zur Seite.“
Der Grat zwischen Beruf und Berufung ist bei AutorInnen ein schmaler. „Nur Beruf geht allerdings nicht“, sagt Ferdinand Schmatz, Leiter des Instituts für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst. Ziel des Bachelor-Studiengangs ist es, AbsolventInnen in den Bereichen Textproduktion und Textvermittlung zu qualifizieren. Die Studierenden werden in verschiedene Literatursorten eingeführt, gewinnen aber auch Know-how über das „Betriebssystem Literatur“ oder mediale, experimentelle und interdisziplinäre Formen der Sprachkunst. Dass beides – also Beruf und Berufung – vorhanden sein muss, sagt auch Karin Fleischanderl: „Ohne Leidenschaft, ohne eine gewisse Verrücktheit, ohne inneres Feuer kann man nicht SchriftstellerIn sein, auch nicht ohne einen gewissen Größenwahn und eine gewisse Überheblichkeit.“ Andererseits sei unbedingt die Bereitschaft nötig, sich mit den handwerklichen Grundlagen und der literarischen Tradition auseinanderzusetzen, sonst werde das eigene Schreiben nie professionellen Anspruch erheben können, sondern dilettantisch bleiben.
Stichwort handwerkliche Grundlagen. „Natürlich kann man diese lernen, beispielsweise die dramaturgischen Aspekte von Schreiben. Dazu gehört etwa der Plot, das Entwerfen von plausiblen Figuren oder der Spannungsaufbau“, sagt Barbara Rieger. Und Marlen Schachinger führt die Lesekompetenz an: „Darunter verstehe ich bewusste Lektüre, bei der ein Werk nicht konsumiert, sondern vielmehr befragt wird: Wie ist es gemacht?“ Neben der Dramaturgie seien aber auch „das Schreiben von Dialogen, Erzählpositionen und andere literarische Stilmittel wichtig. Die Grenze des Handwerks ist erreicht, wenn der Schreibergeselle oder die Schreibergesellin es trotz dieser erlernten Fähigkeiten nicht schafft, ein Meisterstück hinzukriegen“, erläutert Fritz Ostermayer. Zu lernen sei „rhetorisches Handwerk, das aber nur das Gerüst sein kann für Schreibweisen, die eigenwillig und selbstbewusst zu entwickelnd sind, und die mit dem Begriff des Talents allein nicht zu definieren sind. Hier braucht es Besessenheit, Wollen, tiefe Überzeugung, (Sprach-)Kunst machen zu wollen oder zu müssen“, ergänzt Ferdinand Schmatz.
Links:
BÖS
Institut für narrative Kunst
Schule für Dichtung
Sprachkunst
Leondinger Akademie für Literatur