Das giftige Glück – Gudrun Lerchbaum
Eine Rezension von Kathrine Bader
Eine von MS gequälte Ex-Anarcho-Frau, eine Haftentlassene mit Helfersyndrom, eine abgebrüht wirken wollende 14-Jährige, die ihre Mutter vermisst, ein überforderter Vater, ein pilz-besessener Blogger und eine mutierte Pflanze – das sind die Ingredienzien dieses Romans.
Kaum hat sich die Welt von der Covid-Pandemie erholt, droht eine neue Seuche über Wien hereinzubrechen: Viennese Weed. Der im Frühling allerorten sprießende Bärlauch ist von einem Pilz befallen und wird so zur tödlichen Waffe. Doch die mediale Warnung vor dieser Gefahr erzielt die gegenteilige Wirkung. Massenweise strömen Menschen in Parks und in den Wienerwald, um sich mit dem Zeug einzudecken. Denn schnell spricht sich herum, dass der Genuss der Blätter zu einem fröhlichen Tod führt – die Opfer sterben mit einem Lächeln auf den Lippen. Die beste Gelegenheit also, um die eigene Existenz gleichfalls schmerzlos wie freudvoll zu beenden (womöglich bei eiligst organisierten Selbstmord-Partys) oder unliebsame Mitmenschen ins Jenseits zu befördern. Und es kommt noch krasser: Die vom Wind verstreuten Sporen erzeugen eine massentaugliche psychedelische Wirkung. Da sind die aus der Pandemie übriggebliebenen Masken doch recht brauchbar.
Geschickt und mit einem Augenzwinkern überträgt Lerchbaum Phänomene der Corona-Zeit auf das Geschehen, wie etwa: Verbreitung von Verschwörungstheorien, die Entstehung der giftigen Substanz als eine Strafe Gottes, kommerzielle Ausschlachtung.
Souverän bewegt sich die Autorin zwischen verschiedenen Sprach-Registern vom Jugend-Jargon über Moderation- und Journalismus-Spreche bis zum wissenschaftlichen Ton. Und streut nebenbei Wendungen ein, die aufmerken lassen. Ein paar Beispiele gefällig? Modell Schneewittchen für Übergrößen; die Rotphase dauerte länger als ewig; … der Tag platzte aus allen Nähten; während Gehirnwindungen nach Lateinrückständen durchkämmt wurden; Lächeln war in dieser Situation kontraindiziert; wie verschränkte Degen drückten ihre Blicke gegeneinander …
Fazit: ein vielstimmiges, intelligentes Lese-Vergnügen mit Sprachwitz und, gottseidank, nur mit einem Happy-End light.
Kathrine Bader, April 2022
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich.
Gudrun Lerchbaum: Das giftige Glück
Innsbruck-Wien: HAYMONverlag 2022
272 Seiten
19,90 EUR
ISBN-13: 978–3709981498
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