Das sich selbst lesende Buch – Ilse Kilic

Eine Buch­re­zen­sion von Sophie Reyer

Also, so etwas begegnet einem ja dann doch nicht alle Tage: ein Buch, das sich selbst liest. Obwohl der Gedanke der Selbst­re­fe­ren­zia­lität einer ist, der seit Beginn der Moderne keine große Erneue­rung mehr darstellt. Worum es in diesem Buch geht? Um Roman­fi­guren, die verhin­dert waren, und denen in einem neuen Anlauf eine weitere Chance gegeben wird: Gemeinsam schreiben hier die Prot­ago­nisten eines Buches das Leben ihrer Schöp­ferin neu; das Macht­ver­hältnis dreht sich also um. Ob es dabei Wort­frag­mente regnet, ob hyper­sen­sible Härchen aus den winzigen Ohren eines Babys sprießen oder ob es zu Disputen in einem Boots­bauch kommt – Ilse Kilics Text ist voll mit magi­schen, märchen­haften Facetten und Einsprengseln.

Formal ist das bei Ritter erschie­nene Buch überaus span­nend und viel­seitig gestaltet: Nicht nur würzen Bilder der Autorin selbst die lite­ra­ri­schen und philo­so­phi­schen Text­teile, auch mit unter­schied­li­chen graphi­schen Text­ele­menten wird gespielt: Da gibt es Kursiv­stellen, Aufzäh­lungen, ein Gedicht, Listen, ja sogar ein Stück einge­scannte Blöcke zu sehen.

Ilse Kilics Sprache ist unprä­ten­tiös, die Haltung dahinter von einer beson­deren mensch­li­chen Weis­heit. Der Autorin gelingt es, in einem philo­so­phi­schen Fleckerl­tep­pich Kurz­ge­schichten, Lebens­weis­heiten und Comics so zu einem gemein­samen Ganzen zu verweben, dass eine völlig neue Welt entsteht.

 

Sophie Reyer, 2016

Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfas­se­rInnen verantwortlich.

 

Ilse Kilic: Das sich selbst lesende Buch
Klagen­furt: Ritter, 2016
136 Seiten
EUR 13,90
ISBN: 978–3854155430