Der Bade­meister ohne Himmel – Petra Pellini

Eine Rezen­sion von Tobias Thomas March

Es gibt zwei Menschen, die mich von der Sache mit dem Auto abhalten. Kevin und Hubert. Kevin wohnt um die Ecke, ist voll intel­li­gent und Hubert wohnt im dritten Stock und ist voll dement.“ (S. 7)
Für einen Auszug aus „Der Bade­meister ohne Himmel“ wurde der Bregenzer Autorin Petra Pellini 2021 der Vorarl­berger Lite­ra­tur­preis zuer­kannt: Zu Recht! Im August 2024 legt sie dann diesen Roman im Rowohlt Verlag vor. „Der Bade­meister ohne Himmel“. Er ist ein flüssig und heiter geschrie­benes Buch zu ernsten Themen.
Da ist einmal der demente Hubert, der immer mehr Dinge vergisst und auf die 24-Stunden-Pfle­gerin Ewa ange­wiesen ist. Dann gibt es Linda, die Ich-Erzäh­lerin, die im selben Haus wohnt, Ewa immer häufiger entlastet und mit Hubert über jedes mögliche Thema Gespräche führt. Im Inneren ist sie ein junges Mädchen, das selbst Hilfe benö­tigen würde. Erfah­rungen mit einem gewalt­tä­tigen Vater und einer allein­er­zie­henden Mutter, Armut, Miss­erfolge in der Schule und Mathe­ma­tik­schul­ar­beiten bringen sie regel­mäßig an die Grenze der Verzweif­lung. Gene­rell denkt sie oft darüber nach, ob Suizid nicht ein Ausweg für sie wäre. „Ich werde vor ein Auto laufen. Die Menschen werden sich um mich scharen und mit weit aufge­ris­senen Augen auf meine blutenden Wunden starren. Wenn mein linker Arm gut zu liegen kommt, werden sie den Säbel­zahn­tiger auf meinem Unterarm sehen. Die Welt wird still­stehen und endlich wird jemand es ausspre­chen: Das Mädchen braucht Hilfe!“ (S. 7)
Die belas­tete Bezie­hung zur eigenen Mutter und die Bezie­hung zum einzigen Freund, den sie jemals hatte, Kevin, spielen eine Rolle. Kevin ist um die ganze Welt besorgt, er surft zu viel im Internet, er liest zu viele Fach­ar­tikel und er weiß genau, wie das mit der Erdver­schmut­zung, mit der Versaue­rung der Meere und dem Unwillen der Mensch­heit ist, aus Fehler zu lernen.
Mit Hubert hingegen ist alles leicht. Jeden Mitt­woch­nach­mittag über­nimmt die Jugend­liche die Betreuung. Mit dem ehema­ligen Bade­meister kann sie ihre innersten Gedanken und ihre Vorhaben teilen, denn er vergisst alles Gesagte gleich wieder.

Das Buch reüs­siert dadurch, dass man trotz dieser ernsten Themen oft lachen muss. Vor allem die Eigen­namen der Prot­ago­nistin Linda, die sie den Menschen und Dingen gibt, sind humor­voll und authen­tisch für eine Jugend­liche: Der Nacht­falter für Huberts zerbrech­liche Tochter, Klein-Polen für das Reich der Betreuerin Ewa, Würm­chen für die Ur-Enkelin von Hubert, Heidi-Klum für die schöne andere 24-Stunden-Pfle­gerin neben Ewa usw., machen das Buch lesens­wert.
Trotz der Leicht­heit und Flüs­sig­keit wird man das Gefühl nicht los, dass irgend­wann alles gesagt ist. 100 Seiten weniger hätten dem Buch auch nicht geschadet. Am Ende werden durch­hal­tungs­starke Leser:innen aber mit einem plot twist, einer uner­war­teten Hand­lungs­än­de­rung, belohnt.

 

Tobias Thomas March, Dezember 2025

Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfasser:innen verantwortlich.

 

Petra Pellini: Der Bade­meister ohne Himmel
Reinbek: Rowohlt Verlag 2024
320 Seiten
23 EUR
ISBN 978–3‑463–00068‑8

 

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