Dunkelheit – Lisa-Viktoria Niederberger
Eine Rezension von Barbara Rieger
Regelmäßig lese ich meinem Kind abends die Abenteuer von Nali & Nora in Salzburg vor, die Lisa-Viktoria Niederberger geschrieben hat. Seit Jahren bewundere ich Niederbergers literarisch konsequenten und inhaltlich aufwühlenden Kurzprosa-Texte. Für diese hat die Autorin zahlreiche Preise bekommen, zuletzt den Frau Ava Literaturpreis 2025. Nun liegt ihr erstes Sachbuch vor (mir): „Dunkelheit. Ein Plädoyer.“
Lisa-Viktoria Niederberger macht sich in diesem Buch daran, das Dunkle in seinen unterschiedlichen Schattierungen zu durchleuchten.
Im ersten Teil widmet sie sich dem Thema „Sicherheit und Unsicherheit auf nächtlichen Wegen (und was das Patriarchat damit zu tun hat)“. Äußerst interessant liest sich darin beispielsweise die „kleine und unvollständige Kulturgeschichte der nächtlichen Beleuchtung“ (S.30). Die Ausleuchtung des nächtlichen Raums, oft durch grelles Licht, erhöhe höchstens das Sicherheitsempfinden, führe aber nicht notwendigerweise zu mehr Sicherheit, argumentiert Niederberger.
Welche Auswirkung die stetig zunehmende nächtliche Beleuchtung allerdings auf Pflanzen, Tiere und auf uns Menschen hat, führt sie uns im zweiten Teil vor Augen: Sogenannte Lichtverschmutzung, oder Light at night „stört natürliche Kreisläufe, führt zur Bedrohung oder dem Wegfall ganzer Spezies“ (S.86). Niederberger stellt der kulturellen und spirituellen Bedeutung des Sternenhimmels den aktuellen Umgang mit dem Himmel und dem Universum gegenüber, welches als eine der letzten Bastionen kolonialisiert und vermarktet wird und hält mit ihrer Meinung zu privaten Weltraumflügen nicht hinter dem Berg: „Es macht mich so fucking wütend.“ (S.122)
Der dritte Teil dreht sich um jene, die nachts munter sind oder sein müssen. Die Autorin lässt uns an ihren eigenen Erfahrungen mit Nachtarbeit und Schlafstörungen und den Versuchen, diese zu verstehen, teilhaben.
Im vierten Teil landen wir schließlich beim „ultimativen Dunklen“, dem Tod nämlich und unserem Umgang damit. Die Autorin ist für ihren Mut zu bewundern, Persönliches zu teilen, sowie dafür, das Persönliche unprätentiös in einen größeren Kontext zu stellen.
Expert:innen zieht Lisa-Viktoria Niederberger in den verschiedenen Teilen ebenso zu Rate. Sie zitiert aus Interviews, die sie geführt hat, beispielsweise mit dem ehemaligen Bestatter, Psychologen und Autor Martin Prein. Sie erzählt von ihrer Leidenschaft fürs Recherchieren und lässt uns sowohl am Prozess des Recherchierens und Schreibens als auch am Produkt teilhaben.
Dieses Buch ist eine kurzweilige, informative, augen-öffnende, zum Nachdenken anregende, dichte Mischung aus Reportage, Sachlichem, Privaten, Aktionistischem und nicht zuletzt Utopischem. Jeder der vier Teile endet nämlich mit einer detaillierten Vision, wie es auch sein könnte: So ein Abend ohne Angst, der Blick in den Sternenhimmel, erholsamer Schlaf und eine ausgewogene Lebensweise oder der Umgang mit dem Tod.
Dunkle bzw. dunklere Nächte allein, so gibt Lisa-Viktoria zu, „lösen nicht alle Probleme unserer Zeit.“ (S. 232), ihr Wert wird allerdings durch dieses Buch deutlich.
Ein gelungenes Buch zu einem wichtigen und bislang zu wenig beachteten Thema.
Meine Besprechung des dazu passenden Kinderbuchs „Helle Sterne, dunkle Nacht“ findet sich am Blog der GAV Oberösterreich.
Barbara Rieger, Juni 2025
Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich.
Lisa-Viktoria Niederberger: Dunkelheit. Ein Pläydoyer
Innsbruck: Haymon Verlag 2025
248 Seiten
22,90 EUR
ISBN 978–3‑7099–8245‑7
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