für andere, für uns – Claudia Endrich
Eine Rezension von Tobias Thomas March
Claudia Endrich hat sich in ihrem 2024 erschienenen Roman „für uns, für andere“ ein eher großes Thema vorgenommen. Die Verweigerung der katholischen Kirche, Reformen zuzulassen oder Veränderungen willkommen zu heißen – auch solcher Reformen, die zum Wohl der gesamten Mitglieder umgesetzt werden sollten. Rita, das ist Endrichs Protagonistin, dürfen wir als Leser:innen begleiten, wie sie zuerst das Theologiestudium absolviert und dann zum Rektor sagt: „Ich will Priesterin werden.“ Der meint nur: „Sie wissen, junge Frau, dass das nicht geht.“ S. 103
Gerne würde sie dem Jesuitenorden beitreten, doch der Rektor macht ihr andere Vorschläge: „Eine Gemeinschaft Christlichen Lebens? Oder die Mitarbeit bei der internationalen Jesuitenmission? Wir haben viele Volontariatsmöglichkeiten im Ausland, das könnte ich mir gut für Sie vorstellen!“ S. 102. Doch Rita stellt klar: „Nein, Sie verstehen nicht, Herr Rektor. Jesuitin. Ich will Jesuitenpaterin werden.“ S. 103
Endrichs Erzählstil ist ausladend, langatmig, weit, doch wenn es um Sébastien geht, den Priester, in den sich Rita verliebt, dann schwingt Verliebtheit und Leichtheit mit und die Passagen erscheinen flüssiger als die anderen. „‚Ja, Sébastien, ich weiß auch, was es heißt, wenn etwas nicht einfach ist.‘ Verständnislos schaute er sie an, ließ den BH sinken. ‚Was hast du denn auf einmal?‘“ S. 87.
Später im Buch erfahren wir, dass die Beziehung trotz Liebesurlaub in der Toskana, wo sie endlich zu zweit sein, Händchen halten, gemeinsame Ausflüge machen können, und sich nicht verstecken müssen, nicht geklappt hat und dass es im weiteren Verlauf des Buches eine Abtreibung gegeben hat. Als christliche Revoluzzerin wird Rita Pastoralassistentin mit Tattoos, kurzen Haaren und besonderen Befugnissen. Sie erschwindelt sich eine besondere Erlaubnis, nämlich die Erlaubnis des Bischofs, die Wandlung des Leibes Christi selbst durchführen zu dürfen, und setzt sich selbst dem Priester gleich. Sie ist Seelsorgerin, nimmt die Beichte ab, organisiert die Erstkommunion, leitet eine eigene kleine Gemeinde, weil der eigentliche Pfarrer Michael selbst mit seiner Flamme Simone, der Yogalehrerin, beschäftigt ist. Bei der Erstkommunion ist er ganz nervös wegen ihr und schaut die ganze Zeit auf sein Handy: „Es ist wegen Simone. Sie will sich nicht mehr verstecken. Sie sagt ‚Ganz oder gar nicht‘, und ich weiß einfach nicht, ob ich soweit bin …“. S. 310.
Verbündete findet die progressive Christin im schwulen Religionslehrer Fabian mit seinem Mann Gennaro und in der unzufriedenen Powerhausfrau und Organistin Renate. Dass die selbstermächtigte Pfarrerin Rita schlussendlich die Kirche mit einem Paukenschlag – einer feministischen Predigt – verlässt, ihre Arbeit niederlegt und sogar aus der Kirche austritt, ist ein irgendwie zu logisches Ende, passt somit aber wieder zu Endrichs kirchlichem Reality-Roman. Sie bedient in ihrem Roman doch sehr viele Klischees und arbeitet fast alle wunden Punkte der katholischen Kirche ab.
Das Happy, Happy End wird mit einer Weihung zur Priesterin von allen Freund:innen und Unterstützer:innen in der Waldkapelle komplettiert und liegt mit einem Rosamunde-Pilcher-Finale auf einer Linie.
Tobias Thomas March, Juni 2025
Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich.
Claudia Endrich: für andere, für uns
Paderborn: Bonifatius 2024
464 Seiten
20 EUR
ISBN 978–3‑98790–054‑9
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