Revo­lu­tion der Verbun­den­heit. Wie weib­liche Soli­da­rität die Gesell­schaft verän­dert – Fran­ziska Schutzbach

Eine Rezen­sion von Barbara Rieger

Liebe Fran­ziska Schutzbach,

ich lasse mich von der Brief­form inspi­rieren. Die Form des Briefs, mit der du jedes deiner Buch­ka­pitel beginnst, ermög­licht es dir, „weib­liche Verbun­den­heit in meiner eigenen poli­ti­schen, theo­re­ti­schen und persön­li­chen Praxis aufzu­spüren und konkret werden zu lassen. (S.19) Die Briefe ergänzen deine fundierten Essays und holen vermut­lich auch jene Leser*innen ab, die femi­nis­ti­sche, theo­re­tisch-wissen­schaft­liche Lektüre weniger gewohnt sind.

Dein Buch hat mich schlichtweg begeis­tert, und diese Begeis­te­rung möchte ich weiter­geben. Denn so wie du frage ich mich mitunter: „Was sollen Texte, was sollen Worte noch bewirken?“ (S.11) Auch ich bin der Über­zeu­gung, dass uns die Kritik am Bestehenden allein nicht weiter­hilft, sondern dass es auch „Ideen von einem besseren Leben, von gutem Arbeiten, von Teil­habe und Selbst­be­stim­mung – und einem Stück Lebens­glück“ (S. 21) braucht.

Du setzt dich einge­hend damit ausein­ander, welche Rolle Frauen bzw. FLINTA*-Personen im Kampf um eine gerech­tere Welt bereits gespielt haben und spielen könn(t)en. Mir gefällt die Idee, dass von uns[1] eine Revo­lu­tion ausgehen kann. Ich finde es gut, dass du die Diffe­renzen, die Schwie­rig­keiten, die Unter­schiede zwischen Frauen bzw. FLINTA*-Personen keines­wegs aussparst und dennoch aufzeigst, wie Frauen in der Vergan­gen­heit „Trans­for­ma­tionen durch Bezie­hungen und Bünd­nisse bewirkt haben.“ (S.229)

Freund­schaft und anderen stär­kenden Bezie­hungen unter Frauen, so argu­men­tierst du, wohnt ein Hoff­nung verhei­ßendes poli­ti­sches Poten­tial inne. Die Ausein­an­der­set­zung mit Frau­en­be­zie­hungen in Fami­lien und mit Formen der Liebe abseits hete­ro­se­xu­eller Normen bringt mir viele neue Inputs. Das Kapitel „Sister­hood“ finde ich beson­ders erhel­lend und wichtig. Darin kommst du zum Schluss:

Der stärkste Gegner einer faschis­tisch-patri­ar­chalen Gesell­schaft ist die mensch­liche Fähig­keit, das Leiden anderer Lebe­wesen nach­zu­emp­finden und der daraus resul­tie­rende Gerech­tig­keits­im­puls, dass das Zufügen von Leid falsch ist. Der Erfolg auto­ri­tärer Politik, die Legi­ti­mität von (Frauen)Unterdrückung und Diskri­mi­nie­rung hängt maßgeb­lich davon ab, wie weit der Mensch vom Impuls der Soli­da­rität abge­bracht werden kann.“ (235)

Im letzten Kapitel beschäf­tigst du dich mit Sepa­ra­tismus, Auto­nomie und Ausstieg als Alter­na­tiven zu einem Gleich­stel­lungs­fe­mi­nismus, der uns weniger zur Frei­heit als zur Erschöp­fung führt. I feel you, Fran­ziska. Statt ständig um die größten Küchen­stücke zu kämpfen, könnten wir[2] mal wieder etwas Neues backen. Auch wenn der Neoli­be­ra­lismus, wie du schon in der Einlei­tung schreibst, das Utopi­sche fast gänz­lich verschluckt hat. Gegen­ent­würfe sind nicht nur nötig, sondern auch möglich.

Ich finde es unglaub­lich wichtig, dass du nicht nur zugibst, sondern auch ausführst, dass wir schei­tern können, dass es Diffe­renzen und Konflikte geben wird, dass es Arbeit ist und wir uns die Hände schmutzig machen werden. Dass wir (uns) immer ein Stück fremd bleiben. Dass Revo­lu­tionen nicht durch allei­nigen Netz­ak­ti­vismus entstehen. Dass es reale Gegen­über braucht, um Verbun­den­heit zu erfahren!

Außerdem freue ich mich, dass du mir in Erin­ne­rung gerufen hast, wie schön und ergiebig es sein kann, Briefe zu schreiben. Die Idee, Briefe an wich­tige weib­liche Bezugs­per­sonen zu schreiben, habe ich übri­gens schon in einer Schreib­gruppe aufge­griffen. Schön war das.

Vielen Dank für deine Arbeit!
Ich empfehle dieses Buch rundum weiter.
Soli­da­ri­sche Grüße,

Barbara Rieger

 

Barbara Rieger, Mai 2025

Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfas­se­rInnen verantwortlich.

 

Fran­ziska Schutz­bach: Revo­lu­tion der Verbun­den­heit. Wie weib­liche Soli­da­rität die Gesell­schaft verän­dert.
München: Droemer Knaur 2024
317 Seiten
24,00 EUR
ISBN: 978–3‑426–27904‑5

 

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[1]Frauen, FLINTA*-Personen und alle, die sich ihnen verbunden fühlen.

[2]Männer sind mitgemeint!