Bekömm­liche Komik

Ein Inter­view mit Britta Mühlbauer

Humor kann entwaff­nend, aber auch hinter­hältig sein. Selbst einen solchen zu besitzen, ist nicht drin­gend nötig, sagt Britta Mühl­bauer im Vorfeld ihres Workshops.

 

BÖS: Wie hängen Komik und Angriffs­lust zusammen beim Schreiben?

Britta Mühl­bauer: Sich mit Hilfe von Ironie oder fein dosiertem Spott, unter Einsatz rheto­ri­scher Mittel und tref­fender Ausdrücke über jemanden oder etwas lustig zu machen, ist mit Sicher­heit unter­halt­samer und ästhe­tisch und intel­lek­tuell reiz­voller als ein fron­taler Angriff. Das wirkt einer­seits „bekömm­li­cher“ und akzep­ta­bler, kann aber auch sehr entwaff­nend sein. Wenn eine Pointe sitzt, gibt es für das Ziel des Spotts kaum Gegen­wehr. Wer ärger­lich reagiert, wirkt humorlos und setzt sich selbst ins Unrecht. Inso­fern ist Komik auch ein biss­chen hinterhältig.

BÖS: Muss man selbst Humor besitzen, um “komisch” schreiben zu können?

Britta Mühl­bauer: Eine Voraus­set­zung dafür, „komisch“ zu schreiben ist ein genauer und scho­nungs­loser Blick auf die Welt. Jeder Mensch hat Schwä­chen und Fehler, und selbst die erns­testen und trau­rigsten Dinge – oder gerade sie – haben ihre komi­schen Seiten. Wenn man diese Inkon­gruenz nutzt, sie sichtbar macht, sie mit rheto­ri­schen Mitteln und struk­tu­rellen Verfahren vergrö­ßert und über­treibt, entstehen komi­sche Effekte. Manche dieser Stil­mittel wenden wir, ohne es zu wissen, im Alltag an. Profis setzen sie bei ihrer Arbeit bewusst ein. Komik entsteht aus genauer Wahr­neh­mung, Intui­tion, hand­werk­li­chem Können und viel Geduld beim Auspro­bieren und Verwerfen.

BÖS: Wann ist der boshafte Blick nicht mehr komisch?

Britta Mühl­bauer: Komik darf vieles und sie darf durchaus scho­nungslos sein. Es gibt aber Grenzen, wenn Angriffe ins Persön­liche gehen, wenn das Wissen um persön­liche Schwä­chen oder Geheim­nisse ausge­nutzt wird, um jemanden bloß­zu­stellen oder zu verletzen. Die Grenzen des Komi­schen werden für mich auch dann erreicht, wenn Selbst­ironie in Selbst­de­mon­tage oder Selbst­gei­ße­lung umschlägt. Da bleibt mir das Lachen im Hals stecken.

Der Umgang mit „heiklen“ Themen und Tabus wird jetzt, da der gesell­schaft­liche Umgang mit Geschlech­ter­rollen, mit Minder­heiten, mit Rassismus und vielem mehr neu über­dacht wird, wieder hoch­in­ter­es­sant. Es werden neue Grenzen und neue Verhal­tens­vor­schriften defi­niert. Das ist gut, treibt aber manchmal selt­same Blüten, man denke an die Ausein­an­der­set­zung darüber, wer das Gedicht, das Amanda Gorman zur Amts­ein­füh­rung von Joe Biden geschrieben hat, ins Deut­sche über­setzen „darf“. Das reizt natür­lich dazu, sich darüber lustig zu machen, wie jede Grenzziehung.

Josef Hader verkör­pert in seinem Programm „Hader on Ice“ einen desil­lu­sio­nierten Grantler, der beispiels­weise behauptet, der Bevöl­ke­rungs­aus­tausch finde statt, selbst­ver­ständ­lich. – Ich halte die Luft an und frage mich, wie kriegt er diese Kurve? – In hundert Jahren ist die gesamte Bevöl­ke­rung unseres Landes ausge­tauscht. Kein bekanntes Gesicht mehr, völlig fremde Leute überall. – Ich lache erleich­tert, ich muss nicht aufstehen und die Vorstel­lung verlassen.

 

Britta Mühl­bauer leitet den Schreib­work­shop “Der boshafte Blick – Ironie – Satire – Parodie” am 23./24.. Oktober 2021. Kurz­ent­schlos­sene können sich noch anmelden unter office@boesmail.at

Foto: Ela Angerer