„Das Internet per se ist weder demokratisch noch anti-demokratisch“
Ein Interview mit Patricia Brooks
Die Corona-Gegenwart erlebt eine Hoch-Zeit an Internet-Performances. Denn solange Kultur im öffentlichen Raum, wie wir ihn bis jetzt kannten, nicht stattfinden darf, bahnt sich Kreativität ihren virtuellen Weg. Wir fragen unsere DozentInnen nach ihrem Verhältnis zum Internet.
BÖS: Ist das Internet für dich mehr Fluch oder mehr Segen?
Patricia Brooks: Das Internet ist für mich absolut ein Gewinn, der unser Leben in vielen Aspekten bereichert und einfacher macht. Beruflich und privat. Das betrifft sowohl die Kommunikation (Mail, Telefonieren, Konferenzen, etc.) als auch Information (von Recherche, Online-Bibliotheken, Nachrichten, Podcasts, etc.). Natürlich hat das alles auch Schattenseiten, zum Beispiel die Dominanz der Internetgiganten, der Social Media Selbstdarstellungswahn, Datenveruntreuungen, Manipulation, Fake News etc… Allerdings sind Fake News und politische oder kommerzielle Manipulation nicht erst Erfindungen des Internetzeitalters. Das Internet per se ist weder demokratisch noch anti-demokratisch, es ist einfach ein Tool, das allen Menschen auf der ganzen Welt freien Zugang zu Informationen und Kommunikation bereitstellt. Schon alleine deshalb wird es in nicht-demokratischen Systemen häufig zensuriert oder unterbunden. Es ist also die Frage, wie man damit umgeht, wie man es gestaltet, wie man es nutzt und konsumiert, ob es Fluch oder Segen ist.
BÖS: Wann verwendest du für Deine Arbeit das Internet?
Patricia Brooks: Ich erledige meine Korrespondenz fast ausschließlich per Mail, verschicke auch Manuskripte, Ton- oder Videoaufnahmen digital, nehme an Videokonferenzen teil, recherchiere sehr viel im Internet Details, die ich beim literarischen Schreiben brauche, und informiere mich generell über alle möglichen Belange. Auf Social Media bin ich nicht sehr aktiv, weil es mich eher langweilt, aber ich habe einen Facebook-Account, den ich nutze, um Publikationen und Veranstaltungen anzukündigen. Jetzt im Corona-Shutdown habe ich auch digitale Auftritte absolviert und werde demnächst im BÖS meinen ersten Online-Workshop abhalten – darauf freue ich mich schon.
BÖS: Wie stehst du zu den Themen Home-Schooling und Home Office?
Patricia Brooks: Das muss man differenziert betrachten. Prinzipiell ist die Möglichkeit gut, vor allem unter speziellen Bedingungen, die es zur Notwendigkeit machen, wie es zum Beispiel die Ausgangsbeschränkungen in der Pandemie-Zeit erfordert haben. Darüber hinaus bietet es auch die Chance geographische Distanzen zu überwinden, zum Beispiel können Online-Kurse weltweit von TeilnehmerInnen besucht werden, ohne langwierige und mitunter kostspielige Anreisen auf sich nehmen zu müssen. Das Gleiche gilt für Konferenzen und Meetings. Ich sehe es aber nicht als ausschließliche Variante, da der soziale Kontakt und persönliche Austausch face to face nicht ersetzbar sind. Im Idealfall sollte es eine Ergänzung sein.
BÖS: Kommt in deiner idealen Welt das Internet vor oder geht es ganz ohne?
Patricia Brooks: Tja, die ideale Welt ist leider eine Utopie. Also reden wir lieber von meiner realen Welt und in dieser möchte ich auf das Internet nicht gerne verzichten. Ich bin so wie viele andere auch ein Abhängigkeitsverhältnis damit eingegangen. Ich nutze es in seiner vielfältigen Manifestation täglich, beruflich und auch privat hat es in meinem Alltag einen festen Platz erobert. Ich höre oft Musik auf Spotify oder YouTube, sehe mir Film und Serien auf Netflix an, telefoniere auf WhatsApp ins Ausland, suche mir Rezepte oder buche Reisen im Internet und bin froh, wenn ich mit Hilfe von google map an einem fremden Ort auch dorthin komme, wo ich hinwill. Es gefällt mir gar nicht, wenn das Netz einen längeren Ausfall hat, weil ich mich daran gewöhnt habe, dass es mir rund um die Uhr zur Verfügung steht. Dennoch kann ich sehr gut an einem freien Tag oder im Urlaub darauf verzichten.
25. Mai 2020
Patricia Brooks leitet den Online-Workshop „Berufsbild AutorIn“ am 13. Juni 2020.
Anmeldungen dafür unter office@boesmail.at
Foto: Daniela Beranek