Know-how für Online-Lehrende
Ein Interview mit Gerhard Liebenberger
Das Internet hat uns in vielerlei Hinsicht durch die vergangenen Monate getragen. Wir sind miteinander in Kontakt geblieben, Veranstaltungen haben online stattgefunden und auch Lehrende vermittelten ihre Inhalte im WWW – so auch der BÖS. Das wollen wir beibehalten, zusätzlich zu den wieder stattfindenden Präsenzveranstaltungen. Und wir möchten Euch auch das Thema „Online Lehren“ näherbringen. BÖS-Dozent Gerhard Liebenberger erklärt im Interview die Basics.
BÖS: Welche Formate gibt es, um Inhalte online zu vermitteln?
Gerhard Liebenberger: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um Lerninhalte online zu vermitteln. Manche E‑Learning-Formate können in der Online-Lehre auch kombiniert angeboten werden. Eine technische Möglichkeit, Inhalte online zu vermitteln, sind Online-Kurse. Dabei erarbeiten sich TeilnehmerInnen die Inhalte weitgehend selbst anhand von vorgegebenen Inhalten und Strukturen. Es kommen Texte, Bilder und Videos zum Einsatz.
Bei Webinaren oder Web-Seminaren werden Inhalte in einem virtuellen Klassenzimmer vermittelt. Auch der Begriff Live-Online-Training setzt sich immer mehr durch. Bei dieser Art der Wissensvermittlung sind Lehrende und Lernende gleichzeitig online. Sie können über eine Software direkt online interagieren. Webinare werden häufig mit einer Videomeeting-Software durchgeführt. Bekannte Systeme sind z.B. Zoom oder WebEx.
BÖS: Wo liegt der Unterschied, was ist wann ideal?
Gerhard Liebenberger: Klassische Online-Kurse können von den Lernenden voneinander unabhängig konsumiert werden. Bei Live-Online-Trainings sind alle Beteiligten gleichzeitig anwesend. Der Vorteil von Webinaren ist die Möglichkeit der unmittelbaren Interaktion aller Beteiligten. Je nach Software besteht die Möglichkeit per Video und Ton zu kommunizieren, aber auch Textnachrichten via Chat, das Teilen des Bildschirms und audiovisueller Inhalte sowie der Versand von Dateien sind möglich.
Gruppenarbeiten werden in sogenannten „Break out rooms“ durchgeführt. Wird in einem Kurs auf die direkte Interaktion zwischen den Beteiligten Wert gelegt, ist ein Live-Online-Training ideal. Online-Lehrende können unmittelbar den Ablauf beeinflussen und auf Fragen reagieren. Sollten in einem Kurs Inhalte von Lernenden zeitlich unabhängig voneinander genützt werden können, sind klassische Online-Kurse ideal. Bei dieser Form des E‑Learnings stehen selbstgesteuertes und autonomen Lernen im Vordergrund. Die Live-Interaktion spielt eine untergeordnete Rolle.
BÖS: Was können Präsenzlehrende von Online-Lehrenden lernen?
Gerhard Liebenberger: Ich denke, dass E‑Learning-Prozesse und die Präsenzlehre nur bedingt vergleichbar sind. Vor allem klassische Online-Kurse unterscheiden sich stark von der „Lehre im Klassenzimmer“ und sind auch nicht für alle Inhalte geeignet. Bei der Online-Lehre ist zusätzlich zum zu vermittelnden Fachwissen ein technisches Know-How notwendig. Lerninhalte müssen audiovisuell aufbereitet werden. Besonders bei Live-Online-Trainings werden die Lerninhalte und Themenblöcke anders strukturiert als in Präsenzeinheiten.
Die Aufmerksamkeitsspanne ist online wesentlich kürzer, intensive Interaktion mit den TeilnehmerInnen ist notwendig. Auch bei Live-Webinaren werden weiterführende Informationen zum Vertiefen und Wiederholen des Gelernten auf Online-Plattformen den Lernenden bereitgestellt. Diese Inhalte müssen dann wiederum autonom erarbeitet werden.
Die Bereitstellung von Inhalten auf Online-Plattformen könnte auch in der Präsenzlehre weiter verstärkt werden. Eine darauf aufbauende Unterrichtsmethode ist der „flipped classroom“ beziehungsweise „inverted classroom“. Lerninhalte werden vor dem Live-Seminar von den TeilnehmerInnen erarbeitet. In der darauffolgenden Online-Einheit wird das Gelernte angewendet und nur noch auf spezifische Fragen eingegangen.
23. Juni 2020
Gerhard Liebenberger leitet zusammen mit Claudia Dabringer den ONLINE-Workshop „Online Lehren“ am 24./25. Juli 2020. Anmeldungen unter office@boesmail.at
Foto: Gerhard Liebenberger