Es ist wie ein Sesam-öffne-dich

Ein Inter­view mit Susa Hämmerle

Vom Zeit­punkt, wo das Erwach­senen-Bewusst­sein Pause macht und wie man trotzdem solides Schreib­hand­werk abrufen kann, erzählt die Kinder­buch­au­torin und BÖS-Dozentin im Vorfeld ihres Workshops.

BÖS: Was ist das Magi­sche am Schreiben für Kinder?

Susa Hämmerle: Eigent­lich alles, von A bis Z. Zunächst einmal das oft seeehr magi­sche Zufliegen der Idee. Das kann eine Figur sein, die plötz­lich vor dem geis­tigen Auge steht, oder auch „nur“ ein Wort- oder Silben­klang, der in einem singt und schwingt und keine Ruhe lässt, bis man sich hinsetzt und die inne­woh­nende Geschichte „heraus­kom­po­niert“. Als absolut magisch am Schreiben für Kinder empfinde ich auch, dass sich mit dem ersten zu Papier gebrachten Satz quasi ein innerer Schalter umlegt: Nicht mehr das Erwach­senen-Bewusst­sein führt ab nun die Regie, sondern die Sicht­weise und Gefühls­welt des Kindes, das der/die AutorIn einmal war. Aus dieser Perspek­tive heraus spru­deln die wunder­barsten Welten und Wesen, es ist wie ein Sesam-öffne-dich. Spätes­tens an diesem Punkt bin ich im übrigen auch jedes Mal froh über die magi­sche Kraft, die ein solides Schreib­hand­werk entfalten kann – damit es mir im „Over­flow“ der Fantasie nicht ergeht wie dem Zauber­lehr­ling mit dem Walle-Walle-Wasser …

BÖS: Welche Motive mögen Kinder besonders?

Susa Hämmerle: Noch vor wenigen Jahren hätte diese Frage schnur­stracks in die „Bub/­Mäd­chen-Schiene“ geführt. Zum Glück hat sich da, geschlechts­spe­zi­fisch gesehen, doch einiges geän­dert:  Natür­lich mögen viele Mädchen Feen- und Hexen­mo­tive oder Buben Aben­teu­er­ge­schichten – aber auch umge­kehrt. Darüber­hinaus lesen Kinder gerne von Mons­tern, Piraten, Detek­tiven, tieri­schen und mensch­li­chen Held*innen; über „Gut gegen Böse“, „Sich etwas trauen“,„Anders sein“… Aber auch mit „schwie­rigen“ Motiven wie Einsam­keit, Krank­heit oder gar Tod kann man als Autor*in – Mädchen wie Buben – nach­haltig berühren. Zum alters­ad­äquaten Geschichten-Lieb­lings­stoff von Kindern gibt es übri­gens eine Art grobe Richt­linie: So sind für klei­nere Kinder etwa Alltags­er­fah­rungen, Familie, (Haus)Tiere, Ängste rele­vant; bei größeren erwei­tert sich das noch um Schule und die großen Themen Freund­schaft und Liebe.

BÖS: Welcher Schreib­im­puls ist eine „sichere Bank“ beim Schreiben mit Kindern?

Susa Hämmerle: Didak­tisch gesehen zuerst einmal die Ansage: „Eure Recht­schrei­bung ist mir egal; es geht um den Inhalt, eure Fantasie und die tollen Ideen!“ Eigent­lich immer bewirkt diese Meldung einen klas­sen­starken Seufzer der Erleich­te­rung.
Als prak­ti­schen Einstieg ins Schreiben mit Kindern wähle ich gerne einen Sprach­bastel-Impuls. Die absolut „sicherste Bank“ darunter habe ich J.O.N.A.S getauft. Bei diesem Schreib­spiel dient der eigene Name als Ausgangs­punkt – und jedem, aber auch wirk­lich jedem Kind fällt unter Kichern und Prusten dazu etwas ein.
Ganz allge­mein noch zu kind­ge­rechten Schreib­an­reizen: Sie sollen span­nend sein oder verblüf­fend; neugierig machen und vor allem: die Sinne anspre­chen – also zu hören, sehen, tasten, riechen, schme­cken sein. Idea­ler­weise hat man als Schreibpädagog*in eine Auswahl an Impulsen sozu­sagen im Gepäck mit dabei (einige Stich­worte: Musik-CD, „Duft­ballon“, „Ideenfeder“„Fühlwühlbeutel“ und vieles mehr). Ach ja – und hier noch zwei Kost­proben zur obigen „sicheren Bank“: Aus J.O.N.A.S wurde bei SWSs mit Kindern: Jonas orgelt nachts am See; und aus F.A.B.I.A.N: Feuer­wehr­leute aßen bei Inns­bruck altba­ckene Nussschnecken.

 

Susa Hämmerle leitet den Schreib­work­shop „Schreiben für Kinder / Schreiben mit Kindern“ am 28./29. August 2021. Anmel­dungen an office@boesmail.at

Foto: Ingrid Ellhotka