Texte mit Widerhaken

Ein Inter­view mit Martin Peichl

In seinem Work­shop geht es um die sinn­liche Bezie­hung zum Akt des Schrei­bens, aber auch um das Beschreiben entlang von Brüchen und Rissen.

BÖS: Braucht man Mut, um eroti­sche Texte zu schreiben? Falls ja, warum?

Martin Peichl: Ich denke: nicht mehr Mut als für das Schreiben anderer Texte. Zum einen ist der Begriff „Erotik“ etwas sehr Subjek­tives, da gibt es viel Spiel­raum für unter­schied­liche Zugänge, und zum anderen geht es in diesem Work­shop ums Auspro­bieren, um das lust­volle Spielen mit Sprache. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass der Akt des Schrei­bens selbst sehr sinn­lich ist, wie sich die Finger über die Tastatur bewegen, der Blei­stift in der Hand und die ins Papier gesetzten Striche, die damit verbun­dene „muscle memory“…

BÖS: Wo verläuft die Grenze zwischen Kitsch und Kunst?

Martin Peichl: Das span­nende an dieser Grenze ist, dass sie einer­seits unsichtbar ist, ande­rer­seits auch sehr flexibel. Für mich ist Kitsch das unhin­ter­fragte Wieder­holen von Klischees, da entstehen dann Texte mit einer sehr glatten Ober­fläche, an der alles abrutscht. Span­nender finde ich Brüche und Risse, Texte mit Wider­haken, an denen man hängen­bleibt, an denen man sich auch ein wenig aufreißt – das ist die eigent­liche Kunst. 

BÖS: Welchen Text empfiehlst du als Einstim­mung auf deinen Workshop?

Martin Peichl: Ich empfehle den Gedicht­band „Nacht­himmel mit Austritts­wunden“ (im Original: „Night Sky with Exit Wounds“) von Ocean Vuong, auch – nicht ganz unei­gen­nützig – den „Reigen Reloaded“ (heraus­ge­geben von Barbara Rieger). Man kann zusätz­lich die eine oder andere Tier­do­ku­men­ta­tion schauen, das geht es oft auch sehr erotisch zu. Als musi­ka­li­sche Einstim­mung viel­leicht noch „Leif Erikson“ von Interpol: I’ve been swin­ging all the time / think it’s time I learned your way /I picture you and me toge­ther / in the jungle it will be okay…

 

Martin Peichl leitet den Schreib­work­shop „Eroti­sches Schreiben“ am 21./22. August 2021. Anmel­dungen unter office@boesmail.at

Foto: Alex­ander Lausch