Wichtig ist, dass der Faden nicht reißt
Ein Interview mit Britta Mühlbauer
Einen Erzähltext zu finalisieren, ist alles andere als einfach. Welche Fallen, aber auch Tricks es gibt, erzählt Britta Mühlbauer.
BÖS: Worin liegt das größte Problem vieler Autor:innen, wenn ein Erzähltext “fertig” ist?
Britta Mühlbauer: Zunächst mal ist es eine unglaubliche Leistung, einen Roman zu Ende zu schreiben! Aus eigener Erfahrung und von den Autor:innen, die ich im Weiter-schreiben-Workshop begleite, weiß ich, wie langwierig dieser Prozess sein kann, wie viele Entscheidungen es braucht, wie oft man stecken bleibt und sich wieder neu motivieren muss.
Und immer fehlt nach dem Fertigwerden der Abstand zum Text. Man hat kein Gefühl dafür, was gelungen ist und was nicht. Dann sollte der Text ein paar Wochen „abkühlen“. Auch Feedback von Testleser:innen kann helfen.
Und dann die Überarbeitung. Je länger ein Text ist, desto unbewältigbarer erscheint die Aufgabe. Wo und wie beginnen? Da sind diejenigen im Vorteil, die sich vor oder während des Schreibens schon Gedanken über die Struktur des Textes gemacht haben, über die Entwicklung der Hauptfigur und den Plot. Wenn man sich das noch nicht überlegt hat, ist der Beginn der Überarbeitung ein guter Zeitpunkt, das zu tun.
Ich kehre am Anfang der Überarbeitung gerne zur ersten Idee zurück. Das erinnert mich daran, warum ich genau diesen Text schreiben wollte.
BÖS: Warum ist es wichtig, weiter an der Rohfassung zu arbeiten?
Britta Mühlbauer: Ich bin immer skeptisch, wenn Autor:innen behaupten, sie würden druckreif schreiben. Ich bezweifle, dass das möglich ist.
Wie stark der erste Entwurf überarbeitet werden muss, hängt davon ab, ob man schon während des ersten Durchgangs überarbeitet hat (was Britta Mühlbauer leitet den vierteiligen (Online)-Workshop “Weiter schreiben, fertig schreiben”, der am 01./02. Februar 2025 beginnt. ich nicht empfehle, selbst aber oft genug mache) oder ob man einen „shitty first draft“ geschrieben hat. Da wird der ganze erste Entwurf so rasch wie möglich geschrieben, ohne Rücksicht darauf, ob sich vielleicht die Erzählperspektive ändert, die Hauptfigur einen anderen Namen bekommt, eine neue Nebenfigur auftaucht oder man die Geschichte doch lieber auf dem Mars als auf der Erde spielen lässt. Manchmal verschiebt sich auch der thematische Fokus im Lauf des Schreibens. Da muss dann vieles angepasst werden – vom Plot bis zur Wortwahl.
Häufig müssen bei der Überarbeitung große Teile ganz neu geschrieben werden, das ist normal. Anderes muss man kürzen oder streichen, Szenen umstellen etc. Das macht man aber nicht alles in einem Durchgang. Wer einen wirklich guten Text haben will, überarbeitet ihn mehrmals.
Ich beginne mit den Abschnitten, die neu oder stark umgeschrieben werden müssen. Danach überprüfe ich, ob die Entwicklung der zentralen Figuren nachvollziehbar ist, und ob die Aufeinanderfolge der Szenen und Zusammenfassungen passt, ihre Länge und ihr Tempo. Erst wenn das erledigt ist, nehme ich mir die „Kleinigkeiten“ vor: die sprachlichen Ungenauigkeiten, Denkfehler, stilistischen Fragen.
Man kann es mit dem Überarbeiten natürlich übertreiben. Irgendwann muss es genug sein. Im Grunde sind Texte nie fertig. Viele Autor:innen sagen, sie würden auch veröffentlichte Texte am liebsten noch einmal überarbeiten. Ich verlasse mich auf den Überdruss. Er ist ein guter Indikator dafür, dass ein Text zu Ende überarbeitet ist, und im Moment nicht mehr geht. Und dann sind Testleser:innen und das Lektorat dran.
BÖS: Wie kann man sich selbst austricksen, um einen Text zu finalisieren?
Britta Mühlbauer: Wenn man an einem Roman nicht unnötig lange arbeiten will, sollte man regelmäßig schreiben. Das braucht – vor allem wenn man einen „Brotberuf“ hat – ein gutes Zeitmanagement. Wichtig ist, dass der Faden nicht reißt. Um sich dann tatsächlich regelmäßig an den Schreibtisch zu setzen (oder wo auch immer man arbeitet), muss man sich immer wieder neu für den eigenen Text begeistern.
Zum Zeitmanagement und für die Selbstmotivation gibt es unzählige Tipps, Methoden, Ratgeber, Anleitungen. Ich stoße ständig auf Neues. Dabei finde ich die Dinge am hilfreichsten, die am einfachsten umzusetzen sind und am wenigsten Aufwand erfordern. Aber da muss jeder und jede selbst für sich ausprobieren, was am besten passt. Ich bin zum Beispiel ein Gewohnheitstier. Ich habe meine festen Schreibzeiten, die ich möglichst einhalte.
Ganz wichtig finde ich auch, dass man sich mit dem viel beschworenen „Inneren Kritiker“/ der „Inneren Kritikerin“ auseinandersetzt. Das vermindert die Selbstzweifel.
Auch Schreib-Buddies oder eine Autor:innengruppe können helfen, dranzubleiben. Man macht sich gegenseitig Mut und bekommt Feedback zu den Texten.
Britta Mühlbauer leitet den vierteiligen (Online)-Workshop “Weiter schreiben, fertig schreiben”, der am 01./02. Februar 2025 beginnt.