Am Morgen
Ein Text von Alexandra Schneider
Andrea nimmt das Bäckersackerl vom Beifahrersitz und steigt aus dem Taxi. Ein Gähnen kann sie nicht unterdrücken. Ein Blick auf die Uhr. In zwei Stunden muss sie den Laden öffnen.
Sie eilt zum Hauseingang und öffnet den Briefkasten. Werbung, die Bezirkszeitung und ein Briefumschlag vom Vermieter. Was will der schon wieder? Hastig reißt sie das Kuvert auf und liest. Die Miete erhöht sich nach Abschluss der umfassenden Sanierungsarbeiten ab dem 1.1.2025 um 18 %. Nein! Das kann der doch nicht so machen. Vor allem nach den ganzen Mieterhöhungen in den letzten Jahren. Wir schaffen es jetzt schon kaum bis zum Ende des Monats. Das lässt sie sich nicht gefallen! So schnell würde sie auch keine passende und vor allem bezahlbare Wohnung für sie beide finden.
Sie seufzt. Kopfschüttelnd läuft sie die Stiegen in den ersten Stock hinauf. Bei der offenen Wohnungstür steht ihre Mutter mit ihrem langen blumigen Nachthemd und den verwirbelten grauen Haaren. „Na, endlich. Ich habe schon so lange auf dich gewartet.“
„Guten Morgen, Mama.“ Beim Vorbeigehen umarmt sie mit einem Arm die Mutter und küsst ihre Wange. „Komm, wieder rein. Ich hatte noch eine Zusatzfahrt.“
„Ja, ja. Mein Kind, du musst auf dich aufpassen.“ Die Mutter schiebt sich mit dem Rollator vorsichtig in die Wohnung zurück. „Gab es heute Nacht was?“
„Nein, alles gut.“ Den Brief vom Vermieter schiebt Andrea in die Tasche. „Komm lass uns erst mal frühstücken. Ich habe uns frische Semmeln mitgebracht.“
Dieser Text ist im Rahmen des Schreibworkshops “Genres & Erzählkonventionen” mit Britta Mühlbauer entstanden.