Schau­er­lich und Fantastisch

Texte von Martina Linortner, Eva Pittertschat­scher, Romana Endrich und Magda­lena Wieser

Martina Linortner

Mixup

Blitz­ein­schlag am Biohof!
Die Bäuerin schlüpft in den Körper von Huhn Esmeralda.

Kike­riki, oh nein, das kann nicht sein!“,
klagt sie und erschreckt sich vor der Welt.
Klein, nackt und dumm gackert sie herum.
Bis mittags sie doch noch ihre Genia­lität entdeckt,
den anderen Hühner hilft, ihr Gefilde zur erwei­tern,
um sich dann gemüt­lich unter einem Busch auszu­breiten,
schläft, zwischen­durch ein Körn­chen pickt, und schläft.

Ich kann nicht mehr!“, 
schnauft abends das Huhn Esme­ralda.
„So viel Arbeit, so viel Denken.“
Die Bäuerin gackert selbst­be­wusst:
„Komm in einem Monat wieder! 
Die Sonne scheint so fein,
auf mein malträ­tiertes Sein.“

 

Eva Pittertschat­scher 

Dancing in the Moonlight

Tanzen im Mondenschein 

Silbern, düster, geheim­nis­voll
ein Lied in Moll. 
Schwarze Nacht und Ster­nen­fun­keln
lässt uns leise munkeln: 
Lass uns tanzen im Monden­schein
lass mich sein dein und mein. 

Leise, mystisch, wunderbar
so sehen wir plötz­lich ganz klar. 
Rausch der Nacht und Ewig­keit
und vergessen Zeit und Trau­rig­keit: 
Lass uns tanzen im Monden­schein
lass mich sein dein und mein. 

 

Romana Endrich 

Albtraum

Wir hatten einen Streit und ich wollte nicht gleich­zeitig mit meinem Mann ins Bett gehen, um dann schwei­gend neben­ein­ander zu liegen. Er schlief ja immer gleich ein, als wäre nichts gewesen, aber ich lag meis­tens noch lange wach, gekränkt und vor mich hin grübelnd. Dann doch lieber fern­sehen. Seri­en­folge um Seri­en­folge, dann war ich zu müde um vom Sofa aufzu­stehen und langsam fielen mir die Augen zu. Ich bekam noch mit, wie die Titel­musik am Ende der Serie in einen Werbe­spot über­ging. Eine schmut­zige, gläserne Auflauf­form sang: „Du lässt mich einfach stehen, das finde ich nicht schön. Ich fühl mich krustig, das ist nicht lustig.“
Ich fühlte, wie ich hoch­ge­hoben und auf Händen durch den Raum getragen wurde, als wäre ich ganz leicht, ein schönes Gefühl. Plötz­lich ein lautes Klirren und Schep­pern und jemand steckte mich in einen kleinen dunklen Kasten. „He, ich glaube, das ist ein Irrtum!“, versuchte ich zu schreien, aber offen­sicht­lich hörte mich niemand. Um mich herum waren Teller mit Saucen­resten, schmie­rige Gläser und schmut­ziges Besteck. Ein riesiger Topf über mir klemmte mich ein. Es roch, nein viel­mehr stank es nach einer Mischung aus Fisch, ange­branntem Käse, Salat­ma­ri­nade, Tira­misu und Wein.
Ich versuchte mich zu befreien, aber ich konnte mich nicht bewegen. Ein eigen­ar­tiges Klapp­ge­räusch und es war voll­ends dunkel. Ich hörte lautes Rauschen und plötz­lich war überall Wasser. Es drang in meine Nase, meine Ohren, meinen Mund, meine Haare. Essens­reste wurden in mein Gesicht gespült – Gräten, kleine Stücke von Sardel­len­fi­lets, aufge­weichte Biskot­ten­brösel, Salat­blätt­chen. Es war ein schreck­li­ches Gefühl keine Luft zu bekommen und Wasch­mittel und Seifen­schaum einzu­atmen. Die wider­liche Brühe verschwand unter lauten Pump­ge­räu­schen und neuer­lich floss Wasser über mich hinweg, jetzt klarer, aber das Gefühl gleich zu ertrinken blieb.
Die Zeit kam mir endlos vor und ich hatte Angst, völlig aufge­löst und davon gespült zu werden. Dann war das Wasser weg, ich atmete durch und schöpfte Hoff­nung. Viel­leicht öffnet jemand die Tür und befreit mich!? Statt­dessen wurde es heiß, uner­träg­lich heiß. Dampf brannte auf meiner Haut, drang in jede Pore, jede Ritze meines Körpers. In meiner Phan­tasie schmolz ich zu einem unan­sehn­li­chen Klumpen zusammen, von dem keiner mehr wusste, wer oder was es einmal gewesen war.
Eine Ewig­keit später ging endlich die Tür auf, erst sah ich alles verschwommen, dann aber glas­klar: ich lag auf dem Sofa im Wohn­zimmer und meine Mann stand vor mir: „Kommst du jetzt endlich ins Bett oder willst du hier weiterschlafen?“

Hinweis:

Die singende Auflauf­form und der Text: „Du lässt mich einfach stehen, das finde ich nicht schön. Ich fühl mich krustig, das ist nicht lustig!“, stammen aus einem Werbe­spot für ein Geschirrspülmittel.

 

Magda­lena Wieser

Consuelo

Consuelo ist schon seit vielen Jahren bei uns. Meine Eltern haben sie aus Mexiko mitge­nommen. Sie ist unsere gute Seele und macht im Haus­halt alles, was man sich nur vorstellen kann: Geschirr polieren, Fenster putzen, unsere Wäsche waschen, staub­saugen, Spinn­weben entfernen. Sie ist aus unserem Haus, aus unserem Leben, nicht wegzu­denken.
Gestern saß ich in der Biblio­thek. Viel­leicht sollte ich eher sagen, ich lungerte auf dem großen Sofa in der Biblio­thek herum. Ein Buch in Händen, in dem ich nicht las. Ich schaute durch das große Fenster hinaus in den Garten. Plötz­lich hörte ich, dass sich die Tür öffnete. Neben dem Fenster in den Garten, das gegen­über der Tür plat­ziert ist, befindet sich eine Spie­gel­wand. Ohne meine Posi­tion verän­dern zu müssen oder einen Laut zu erzeugen, konnte ich sehen, was sich im Raum abspielte. Consuelo war herein­ge­kommen, einen Besen in der Hand aber keine Kehr­schaufel.
Sie drehte sich zu den Büchern um und wandte sich jenem Bereich zu, der die magi­schen Künste behan­delt. Dort studierte Consuelo die Titel, nahm einige der Bände heraus und legte sie auf den Boden. Das erschien mir im ersten Augen­blick etwas eigen­artig, doch erklärte sich ihr Handeln fast sofort. Die Biblio­thek war mit mehreren Teppi­chen ausge­legt. Jener, auf dem auch das Sofa stand, reichte bis knapp vor die Türe. Consuelo bückte sich nun – sie hatte mich immer noch nicht bemerkt –, hob den Teppich am Eck auf und fegte die Bücher darunter. Ich konnte erkennen, dass die Bücher bei Berüh­rung mit dem Besen ihre Größe verän­derten und so klein wurden, dass keine Erhe­bung unter dem Teppich zu sehen war. Als Consuelo alle Bücher auf diese Weise „wegge­schoben“ hatte, wandte sie sich um und verließ die Biblio­thek.
Neugierig geworden, ging ich zu jener Ecke des Teppichs, an dem Consuelo sich zu schaffen gemacht hatte und hob ihn an. Die Bücher müssten doch irgendwo sein. Ganz langsam hob ich das Eck an und spähte darunter. Ein kleines helles Rechteck leuch­tete und darin sah ich ein Wesen mit einem Bücher­stapel verschwinden. Kaum hatte es die Schwelle des leuch­tenden Recht­ecks über­treten, schloss sich eine Tür hinter ihm.

 

Die Texte sind im Schreib­work­shop “schau­er­lich & fantas­tisch” bei Britta Mühl­bauer entstanden.