Schreiben an der Quelle
Texte von Karin Oberkofler, Karin Leroch und Maria Aschenwald
Karin Leroch
Genug
Ist es genug?
Bin ich genug? Wer fragt hier?
Habe ich genug im Kopf, auf dem Kasten, im Kühlschrank?
Wie viel ist genug, und wer sagt, wann es genug ist?
Spüre ich, wann es zu viel ist?
Rechtzeitig aufhören.
Spüre ich selbst genug?
Spüre ich mich selbst genug?
Genügend schwer, sagt der Naschmarktverkäufer, darum kostet es so viel, das Obst.
Genug geschlafen, auf, auf!
Wer hat noch nicht genug?
Wieso haben manche nicht genug, wenn doch es von allem genug gibt?
Genug geredet, genug gedacht.
Rechtzeitig aufhören.
Und jetzt?
Spüren, wann es genug ist.
Wie soll ich immer alles spüren, nie etwas verdrängen, nie etwas unter den Tisch kehren, es jederzeit hervorholen können und betrachten?
Liebe. Nie wird davon genug gewesen sein.
Ein bisschen geht immer noch.
Zu viel, zu viel, über-über-über.
Rechtzeitig aufhören.
Sammeln, die Übersicht verlieren, anhäufen.
Viel.
Aussortieren, wegwerfen, entrümpeln. Wegrümpeln, umrümpeln.
Wenig.
Bis zur Neige. Nichts mehr. Kahle Wüste.
Ein Tropfen Wasser ist genug, und ein dünnes Blatt sprießt, die Pflanzen beginnen zu wachsen, ein Urwald entsteht, Dickicht und grüne Fülle.
Früchte und Nahrung.
Genug. Und darüber.
Überdüngung, Überfrachtung, Überfischung, Auslaugung, Austrocknung.
Genug.
Rechtzeitig aufhören.
Rhythmus
Ich bin gegen den Rhythmus
des Werdens und Vergehens.
Der Jahreszeiten.
Ich bleibe einfach stehen
und kein Winter kommt für mich.
Und keine Nachtdämmerung.
Und kein Altweiberhaar.
Ich finde mich mit denen zusammen,
die so wie ich Ebbe und Flut verleugnen
und gemeinsam halten wir die Zeit an.
Wir fassen einander an den Armen,
die nächsten springen
auf unsere Schultern
und so bilden wir ein Bollwerk
gegen das Vergehen.
Den Abschiedswalzer.
Das Nimmermehr.
Der Wind, der gegen unsere Körper bläst
Ist uns egal.
Zeit, Zeit, was ist das schon?
Wir beachten sie nicht.
Unser Fleisch ist irgendwann fortgewittert,
aber unsere Knochen stehen noch da
und unsere Seelen rappeln
darin wie in großen leeren Kellern.
Und irgendwann hat der Rhythmus des Werdens und Vergehens,
der Ebbe und der Flut
es kapiert
und lässt uns in Ruhe.
Und dann gibt es nur noch ein einziges Jetzt,
und das gehört allen.
Und unsere Wünsche sind klein und einfach geworden,
nur so viel:
Dass alles bleibt.
Nie vergeht,
Nie geht
Nie stirbt,
Nie zerbricht
und wir solange da sind,
bis wir alle gemeinsam beschließen,
dass es genug ist.
Karin Oberkofler
Zukunft offen
Nun steht Sie da!
Das Ergebnis hat Sie überrascht
Nein – eigentlich nicht
Furcht und Erwartung
Waren noch in der Dunkelkammer des Verdrängens
Ausgewogen unruhig
In der Hülle der Dämmerung belassen
Das winzige Etwas hat es gewusst
Es war schon an seinem Platz
Wohlig eingenistet Signale aussendend
Nur Ihr Hirn war noch nicht auf Empfang
Jetzt hat Sie es schwarz auf weiß
Die Sicht wird klarer
Das lebendiger Werden ist Fluch und Segen
Der Anfang vom Ende
Oder das Ende von Anfang
Die jubelnden Nebengeräusche verhallen
Ihr dämmert der Alltag
Die Realität nimmt grobe Konturen an
Soll Es werden oder nicht? Herbergssuche
Die Ahnin!
Nein
Sie ist müde von allem
Vielleicht in den Schoß einer wohlgelittenen Beziehung
Mit wenig Recht auf eigene Identität
Oder in die geschulten Hände einer Sammelstelle
Um jederzeit ausgegeben werden zu können
Und wenn es da bleibt, wo es ist?
Wird es eine Alleinerziehung werden?
Die wird kaum männlich sein
Maria Aschenwald
Morgengedanken
Zu früh aufwachen – ob ich nochmal einschlafen kann? Was war die Nacht – welches Traumgebilde zieht noch durch meinen Morgengeist? Ich denke an die Stille. Kein Vogelgezwitscher – stilles Häuserviereck – kein Vogelbaum und Vogelstrauch darin, kein Taubengurren, Amselaufregungsgezwitscher, kein Spatzengetschilp. Stilles Häuserviereck am frühen Morgen.
Dämmerschlaf und ein wenig Luftfrische, Nachtregen und etwas Kühle. Gedanken tauchen auf, sinken ab in ein wenig Schlaf.
Wie sieht Bad Tatzmannsdorf aus, nach all den Jahren? Ich versuche es mir vorzustellen. Der Kurpark taucht auf, der Balkon meines Zimmers, Wege. Alles leicht verschwommen, aber ein Gefühl von Freiheit, von nur auf mich achten, mir Gutes tun. Viel Natur, Wanderungen – gehen, gehen, alles abgehen, mir alles ergehen, mir die Umgebung gehend aneignen, mich in die Landschaft einfügen.
Wie wird es diesmal sein?
Nicht ergehen – erschreiben.
Schreibzeit in Bad Tatzmannsdorf.
Kann meine Schreibhand meinen Wanderfüßen Paroli bieten?
Schreibzeit in Bad Tatzmannsdorf.
Findet meine Schreibseele ihre Quelle?
Schreibzeit in Bad Tatzmannsdorf.
Kurpark
Wiesenglück
Und Baumfrieden
Bächleingeplätscher
Ein alter Hund
Mit Hüftleiden
Apportiert gemessenen Schrittes
Die Rabenaufregung hat sich gelegt
Rasenmäherbrummen im Hintergrund
Die Baumschatten
Zeichnen dunkle Bilder
Auf den Wiesenteppich
Die Luft bewegt sich zart
Streicht ein wenig Hitze
Von meiner Haut
Ich atme Sonne
Meine Füße
Verbinden sich mit dem Boden
Wollen verweilen
Die Erdenbotschaft aufnehmen
Und so wie ich
Von ihr getragen sein
Wiesenglück
Und Baumfrieden
IST LEER UND/ WILL NICHT MEHR/ BUCHSTABEN STEMMEN
Der Kopf ist leer
Und will nicht mehr
Buchstaben stemmen
Gefühle hemmen
Stellung nehmen
Geschichten verbrämen
Sich selber lähmen
Der Bauch ist leer
Und will nicht mehr
Das Knurren hören
Sich mit Wasser betören
Dem Süßen abschwören
Auf dem Diätplan nur Möhren
Zu den Schlanken gehören
Die Hände sind leer
Und wollen nicht mehr
Immer tätig sein
Stetig ins Putzwasser hinein
Handlanger sein
fürs Buchstaben stemmen
nicht mal mehr die Haare kämmen
Die Hände geküsst
Gefüllt der Bauch
Da jubelt der Kopf dann auch
Her mit den Buchstaben
Ich wills probieren
Und sie nicht stemmen
Sondern mit ihnen jonglieren
Die Texte sind im Rahmen des Sommerschreibworkshops “Schreiben an der Quelle” mit Cornelia Stahl entstanden.