Das Kind in uns 1

Texte von Elisa­beth Schober

Am Morgen

Am heutigen Tag
als ich noch lag
morgens im Bett
wohlig und nett
kam mir ein Gedicht
ob du‘s glaubst oder nicht.

 

Der Bunt­specht und die Tigermuschel

Eine Fabel

Da, wo der Wald bis an den Strand der glas­klaren Lagune heran­reicht, geriet dereinst ein Bunt­specht in einen Kampf mit einer Möwe und stürzte ins Wasser. Heftig schlug er mit den Flügeln. Da erspähte er am Meeres­grund eine Tiger­mu­schel. „Ich bitte dich hilf mir!“, schrie er in seiner Not.
„Ich bin die Königin der Meere, mit dem schönsten und stärksten Panzer. Warum sollte ich dir helfen?“
„Weil ich dir, meiner Schwester, in der Not auch helfen würde!“, spuckte der Vogel, bevor die Wellen über ihm zusam­men­schlugen. Da erbarmte sich die Tiger­mu­schel und löste sich mit einem heftigen Ruck vom Unter­grund. Die Welle, die sie dabei verur­sachte, warf den Bunt­specht an das Ufer. So lag er, knapp dem Tod entronnen. Die Sonne trock­nete sein Gefieder. Bald konnte er sich in die Lüfte erheben und verschwand im Wald.
Anderen Tags brauste ein fürch­ter­li­cher Sturm über die Lagune. Das Meer bäumte sich auf. Alles am Meeres­boden wurde durch­ein­an­der­ge­wir­belt. Das Wasser schäumte und brodelte trübe. So kam es, dass eine heftige Welle die stolze Tiger­mu­schel ans Ufer warf. Als das Unwetter sich legte und das Wasser sich wieder  ins Meer zurückzog, verblieb die Muschel am Strand. Hungrig kreisten über ihr die Möwen, als die Sonne hinter den Wolken hervor­brach.
Da kam der Specht aus dem Wald ange­flogen und erspähte das hilf­lose Meeres­tier. „So, wie du mir aus der Not geholfen hast, will ich nun dir helfen!“ Er rammte seinen Schnabel tief in den Sand und stemmte sich fest mit den Beinen gegen die Tiger­mu­schel. Plötz­lich löste sich diese vom Unter­grund und kugelte ins Meer. Mit ein paar Luft­blasen des Dankes verschwand sie im Wasser.

 

Die Texte von Elisa­beth Schober sind im Schreib­work­shop „Schreiben für Kinder/Schreiben mit Kindern“ bei Susa Hämmerle entstanden.