Der boshafte Blick zurück
Texte von Eva Wachinger
Zauberin Circe zögert nie
Kommt zur Circe ein Mann
Macht sich ran
Er will sich aufmandeln
Denkt: er kann
Denkt die Circe: du Schwein
Trink diesen Wein
Ich wird‘ dich verschandeln
Schütt alles rein
Säuft also der Mann
Was er kann
Er will anbandeln
Fängt ‘s Grunzen an
Deine Sauereien
Die machst allein
Ich tu dich verwandeln
A Ruah wird sein
Die Schweiz
Die Schweiz ist gar nicht so unsolidarisch. Aber Neutralität verpflichtet immerhin dazu, sich herauszuhalten. Man hält sich raus, klar, aber damit das funktioniert, muss man auch aufpassen, dass man es sich mit niemandem verscherzt. Und wenn dann der eine oder andere mit uns Geschäfte machen will, also, da sagen wir sowieso nicht nein, das haben wir noch nie. Doch wenn jemand Hilfe braucht, also da … da wird es schon schwieriger. Sicher, wir wollen helfen, aber das kostet, und was wird dann aus unseren Reserven? Nein, nein, wir sind wirklich nicht unsolidarisch, aber bitte in Maßen, ja!
Schienenersatzverkehr
Der Zug hält, der Türöffner funktioniert und die Passagiere werden auf den Bahnsteig entlassen. Da stehen sie nun etwas ratlos herum. Aber die Leute sollen sich daran gewöhnen, dass nicht immer alles reibungslos funktioniert, und genau dafür haben wir den Schienenersatzverkehr erfunden. Eine Aufgabenstellung für den Passagier von heute. Heimatlosigkeit muss man am eigenen Leib erfahren, deshalb schicken wir jetzt die Leute erstmal auf den Bahnhofsvorplatz. Da steht aber kein Bus, das wäre zu einfach. Der Schienenersatzverkehr als Fortbildung funktioniert nur, wenn man den Leuten ihr Betteldasein vor Augen hält und ihnen etwas zumutet. Vom Bahnhofsvorplatz schicken wir die Passagiere also nochmal durch die ganze Gleisunterführung durch, bis auf die andere Seite. Dort steht dann ein Bus. Für 200 Leute. Und für eine Fahrt, die zwei Stunden dauern wird. Der Türöffner funktioniert natürlich nicht, denn der Busfahrer hat noch Pause. Der eisige Wind pfeift allen um die Ohren und geht durch Mark und Bein. Sehen Sie, so schaffen wir es, die Leute dahingehend zu trainieren, dass sie irgendwann froh sind, einen Stehplatz im dreckigen Bus ergattert zu haben. Man muss nur wissen, wie man die Sache angeht.
Penicillin aus Tiroler Bergmilch
Immer wieder gibt es Berichte über Waldorfeltern, die ihre schwer kranken Kinder in Lebensgefahr bringen, weil sie sich weigern, ihnen das rettende Penicillin zu verabreichen. Jetzt gibt es eine hoffnungsvolle Wendung, und sie kommt – wie so oft – aus Tirol.
Ein findiger Tierarzt aus Landeck experimentierte mit der Milch seiner Kunden: Da auch die Milch von Almkühen inzwischen antibiotikaverseucht ist, gibt es immer weniger Möglichkeiten, das weiße Gold gewinnbringend zu verkaufen. Der Literpreis für Milch ist im freien Fall, und die Kunden wollen nur noch auf Schadstoffe geprüfte Ware.
„Wie krieg ich das Penicillin aus der Milch raus? Das war die erste Etappe in meinen Überlegungen“, verrät uns der freundliche Mittfünfziger bei einem Treffen in seinem Stammlokal. „Das klappte nach vielen langwierigen Versuchsreihen tatsächlich, und nun stand ich plötzlich da mit großen Mengen herausgefilterten Penicillins, übrigens chemisch völlig rein und ganz ohne Schwebstoffe, nur eben vitalisiert durch den Transit durch die Kuh.“ Er lehnt sich zurück und grinst.
„Sie wissen ja vielleicht, dass die Samen im Norden Skandinaviens das tödliche Gift des Fliegenpilzes zu sich nehmen und nicht daran sterben. Allerdings essen sie nicht die Pilze selbst, sondern sie trinken den Urin der Rentiere, die ihrerseits gerne Fliegenpilze fressen. Das Gift hat den Tierkörper durchlaufen und wird dadurch zum ungefährlichen Rauschmittel.“ Der Tierarzt nimmt einen großen Schluck Bier und wischt sich den Schaum vom Mund. „Und da hatte ich die zündende Idee. Hochwirksames aber unschädlich gemachtes Penicillin aus Bergbauernmilch! Revitalisiertes Biopenicillin sozusagen! Dafür müsste es doch einen Markt geben!“
Der Kinderarzt Dr. G. aus Innsbruck hat der Redaktion inzwischen bestätigt, dass er viele Nachfragen von Waldorfeltern erhält, die sich für das neue Medikament interessieren.
Die Texte von Eva Wachinger sind im Schreibworkshop “Der boshafte Blick” mit Britta Mühlbauer entstanden.