Blicke und Schrift aus dem Almtal 1

Texte von Su Hahnl

Rund­u­madum – ein Geist

Ich heiße MAS.

Ich stehe dort, wo ich einen Rund­blick habe. Und ich brauche sie, die Dreh­be­we­gung. Um die eigene Achse. Nur so erlebe ich mich. Im Drehen. Ich sehe euch, lange bevor ihr mich seht. Ihr glaubt zuerst, ihr seht nicht recht. Steht dort wer? Ihr müsst näher­kommen, wenn ihr mit mir spre­chen wollt. Und ich spreche gerne.

Mit jeder, mit jedem, mit allem.

Je näher du kommst, desto mehr verän­dere ich mich. Ich werde wie du. Fast. Ich entscheide, wann es genug ist. Und wann ich verschwinde. Ich lebe dort, wo du gerade lebst. Einmal in der feuchten Villa, dann wieder im Hightech-Kuhstall.

Mein Dasein ist Bewegung.

Ich gehe denen nach, die mich gerade am meisten anziehen. Egal ob ekel­haft oder lieb­rei­zend. Viel­leicht spürt ihr Menschen, Tiere, Wesen aller Art, dass ich euch folge, aber ihr seht mich nicht, wenn ich mich für euch entschieden habe.

Wenn du aber auf mich zukommst, dann genieße ich es, dein Spiegel zu sein. Deine Freude, wenn du dich von mir verstanden fühlst, wenn wir eins werden – scheinbar. Wo kannst du das schon erleben? Du hast nur ein Mal die Möglich­keit, mit mir in Kontakt zu kommen. So ist das Leben. Auch für mich. Also, machen wir etwas draus!

War das jetzt zu wenig? Noch 20 Minuten Zeit, um mich mitzuteilen?

Ich liebe den Augen­blick, in dem mein Gegen­über in den Zustand des Erken­nens gerät. Der Funke, der Verwun­de­rung über unsere Begeg­nung. Oder des Ärgers über das noch Unbenennbare.

Ich war schon immer da. Du auch.

 

 

Wenn ich ans Land denke

Wenn ich ans Land denke
dann spüre ich die Ameise, die auf meinem Unterarm herum­krab­belt,
sehe die Wespe, die sich an meinem Apfel­saft im Glas, das auf dem Wirts­haus­tisch steht, heran­macht
fürchte die Zecke, die ich viel­leicht vom Spazier­gang durch die unge­mähten Wiesen mitge­bracht habe.

Wenn ich ans Land denke
erin­nere ich mich an den Amei­sen­haufen, das Wurlen der zig-tausenden Tiere, die scheinbar ziel­strebig das Ihre erle­digen
beob­achte die Wespen, die sich alle auf einer einzigen Blüten­sorte zu schaffen machen, dem Lavendel, der zwar keine „hiesige“ Pflanze ist, sich aber schon einge­lebt zu haben scheint
zerdrücke ange­ekelt die Zecken, die sich auf mir fest­saugen wollen, bevor es ihnen gelingt.

Wenn ich ans Land denke
spüre ich, sehe und fürchte
erin­nere ich mich, beob­achte und tue.

 

Die Texte von Su Hahnl sind im Rahmen des Sommer­work­shops „Blick und Schrift im Almtal“ entstanden.

Foto: Peter Bosch