Brot­jobs & Lite­ratur – Iuditha Balint, Julia Dathe, Kathrin Schadt und Chris­toph Wenzel (Hg.)

Eine Rezen­sion von Brigitta Höpler

Während ich an dieser Rezen­sion schreibe, postet Kathrin Schadt auf Face­book: Eine oft gele­sene Antwort eines Veran­stal­ters auf die Hono­rar­frage des/der Autor:in (heute): „Wir haben nun noch­mals Rück­sprache gehalten. Leider muss ich mitteilen, dass wir uns vor vielen Jahren darauf geei­nigt haben, grund­sätz­lich keine Hono­rare zu zahlen, leider wirk­lich grund­sätz­lich. Das gibt einer­seits unser Budget nicht her und wir möchten ande­rer­seits gerne alle Partner*innen beim Festival gleich behan­deln und daher keine Unter­schei­dung machen – auch nicht bzgl. finan­zi­eller Zuschüsse. Ich hoffe sehr, dass ihr das verstehen könnt. Wir würden uns wirk­lich freuen, euch dabei­zu­haben.“
In der Kommen­tar­funk­tion geht’s rund. Eine schreibt richtig, dass die Frage eigent­lich lautet: „Willst du mir eine Lesung schenken?“ Dass man Geschenke aber an Freun­dInnen macht, nicht an Lite­ra­tur­ver­an­stal­te­rInnen, die Autor­Innen ausbeuten. Ein anderer spricht den Skandal an, dass renom­mierte Lite­ra­tur­zeit­schriften oft keine Hono­rare zahlen, man ein Frei­ex­em­plar bekäme und dankbar sein könne, dabei zu sein.
Es ist gut, wichtig, und längst fällig, dass darüber ein offener Austausch statt­findet, auch auf den sozialen Medien. So ist letzt­end­lich auch dieses Buch entstanden. Auslöser war ein Posting des Autors und Verle­gers Dinçer Güçyeter im Oktober 2000 auf Face­book. Zu einem Foto von ihm auf einem Gabel­stapler erzählt er über seine Neben­tä­tig­keit in einer Spedi­ti­ons­firma, mit dem er Familie und Verlag über Wasser hält.
Nach 300 Likes und einem nicht enden wollenden Austausch finden schließ­lich die Herausgeber*innen dieser Antho­logie zusammen. Die Autor­Innen Julia Dathe, Kathrin Schadt und Chris­toph Wenzel und die Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­lerin Iuditha Balint.
Die Viel­fäl­tig­keit der Biogra­fien, der Arten des Geld­ver­die­nens, bringen auch unter­schied­liche Text­sorten hervor: Biogra­fi­sches Erzählen, prag­ma­ti­sche Beschrei­bungen, sozio­lo­gi­sche Refle­xionen, poeti­sche Essays.
Die Beiträge der 19 Autor­Innen beschreiben die – oft prekären – Verhält­nisse, unter denen Lite­ratur entsteht. Beleuchten scho­nungslos die Frage nach den tatsäch­li­chen Einnah­me­quellen, dem Rollen­wechsel (was ist der Haupt‑, was der Nebenjob), der Belas­tung, Geld verdienen und Schreiben „unter einen Hut zu bringen“, die Frage nach der sozialen Herkunft (wer kann sich unbe­zahlte Prak­tika im Kultur- und Lite­ra­tur­be­trieb leisten und in den Lebens­lauf schreiben), den Bedin­gungen für Aufent­halts­sti­pen­dien (zum Beispiel mit Kindern), der Rolle der Gate­kee­pe­rInnen im Lite­ra­tur­be­trieb (und die Notwen­dig­keit, sie zu umgarnen) und wer eigent­lich den ganzen Betrieb finan­ziert und am Laufen hält.
Karosh Taha bringt es auf den Punkt: „Ich weiß: Kunst ist kein Luxus, den ich mir erlaube, sondern eine Notwen­dig­keit; Geld sollte nicht darüber bestimmen, was ich mache und doch entscheidet Geld über alles, und dies zu igno­rieren, bedeutet die Realität zu leugnen.“
Ein berüh­rendes, erhel­lendes, poeti­sches, erschre­ckendes, drin­gend notwen­diges Buch, das die Realität vieler Autor­Innen und die des Lite­ra­tur­be­triebes zeigt.

 

Brigitta Höpler, März 2022

Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfas­se­rInnen verantwortlich.

 

Iuditha Balint/Julia Dathe/Kathrin Schadt/Christoph Wenzel(Hg.):
Brot­jobs & Lite­ratur
Berlin: Verbre­cher­verlag 2021
240 Seiten
19 Euro
ISBN: 9783957324986

 

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