Buchtipps für den Sommer
Eine Auswahl von Petra Ganglbauer
VON FLÜSSEN UND DEREN EINFLUSSSPHÄREN
Siljarosa Schletterer: azur ton nähe, flussdiktate. Limbus, Innsbruck-Wien, 2022.
Das Zielführende an konzeptuellen und zugleich poetischen Gedichtzyklen ist vor allem, dass sie besondere Tiefgänge offenbaren, Gewichtungen voll Nachdrücklichkeit!
Siljarosa Schletterers Gedichtband „azur ton nähe“, flussdiktate, ist eine liebende, empathische und durch und durch konsequent gemachte Auseinandersetzung mit Wesen, Struktur und topografischen Details von Flüssen und deren Einflusssphären. Eine weitreichende Metaphorik und Genauigkeit im Umgang mit der Sprache ist diesen Gedichten, von denen jedes einem Gewässer und dessen Koordinaten zugetan ist, immanent.
Die, auch optisch spannenden Texte, sind aus der Verschränkung kleinster konkreter Details („der föhn läuft vorbei“) mit einer Metasprache („nässekollektiv“) gebaut. Das Nahverhältnis zwischen Schreiben und Fließen ist seit jeher evident.
In diesem Buch findet es eine äußerst gelungene Umsetzung:
In Form von “herzantwort“(en) – in schöner Korrespondenz mit Franz Wassermanns Bildern.
HERTA KRÄFTNERS RINGEN
Dine Petrik: Ich bin wie ein kaltes Reptil. Herta Kräftner. Spurensuche und Sittenbild.
Mit einem Vorwort von Daniela Strigl. Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra, 2022.
Eine weitere ambitionierte, und exzellent recherchierte Auseinandersetzung Dine Petriks mit Leben und Werk Herta Kräftners liegt mit diesem ihrem jüngsten Buch vor. Eine äußerst konzise und stilistisch phasenweise aufgebrochene, lebendige Befassung mit den gesellschaftlichen Umständen und familiären Wurzeln und Zwängen der 1928 geborenen Schriftstellerin , die im Alter von 23 Jahren Suizid verübte; mit den Auswüchsen ihrer psychischen Erkrankung wie deren Niederschlag im Werk Kräftners.
Dine Petrik wechselt souverän zwischen (literatur)historischen Aspekten, familiären und regionalen Bedingungen, Herta Kräftners Ringen um innere und äußere Stabilität und beispielgebenden Textstellen.
Sie behandelt überdies auch die den schreibenden Frauen zu jener Zeit nicht zugestandene literarische Positionierung.