Die einfache Ekstase des Atmens – Jean Perron (Aus dem Französischen übersetzt von Reinhard Lechner).
Eine Rezension von Cornelia Stahl
Vom Zauber des Augenblicks
Was braucht der Mensch für ein gutes Leben? Saubere Luft, das Licht, den Wald und den Wechsel der Jahreszeiten. In Jean Perrons aktuellem Gedichtband „Die einfache Ekstase des Atmens“ spiegeln sich diese angeführten Naturphänomene in seinen Versen. Reinhard Lechner, österreichische Autor und Übersetzer, übersetzte Perrons Gedichte aus dem Französischen ins Deutsche. Spannend ist die Gestaltung des Lyrikbandes, der uns jeweils auf der linken Seite den Originaltext in französischer Sprache darbietet und auf der rechten Seite die übersetzte deutsche Fassung.
Perron entwirft in seiner Lyrik einen Gegenpart zum Alltagsgeschehen, das geprägt ist von Krieg, Konsum und Leistungsstreben. Sie erzählt vom Innehalten, von der Wahrnehmung des eigenen Atems und der Hinwendung zum Herzen.
„das wahre fest gelangt in die welt/
heimlich/
ohne einbruch
im herzen jedes augenblicks“ (S.6/7)
In seiner Spracharbeit verwendet der Dichter unverbrauchte Bilder, die beim Lesen nachhallen und sich ins Gedächtnis einschreiben, wie folgende Verse zeigen:
„die großen bäume flechten zöpfe
von schatten und licht
der vergehenden zeit“ (S.8/9)
Mitunter gleichen die lyrischen Zeilen biblischen Versen, einem Lobgesang oder einer Anrufung, aufgeladen mit sinnlichen Eindrücken:
„das leben ist eine symphonie
starker und sanfter bilder
dort riechen die worte gut
und schmecken die einfache ekstase des atmens“ (S.8/9)
Die Gedichte kann man deuten als Aufforderung, sich der Nachfrage sowie der „Verfügbarkeit“ (versus „Unverfügbarkeit“ – Hartmut Rosa) zu entziehen, um dem eigenen Leben, das bisweilen „der blackbox eines abgestürzten flugzeugs“ (S.6/7) gleicht, eine Wendung zu geben und sich dem Zauber des Augenblicks zu widmen:
„man kann ihn hören/
diesen Tag/
im echo der vögel/
die ihre namen in die ewigkeit singen“ (S.12/13).
Nach dem Lesen der Lektüre möchte man bisweilen ausbrechen aus der eigenen „blackbox“, die Welt umarmen, das nasse Gras unter den Füßen wieder spüren. Perrons Lyrikband lädt ein, Verszeilen, Welt und Natur (wieder) neu für sich zu entdecken.
Cornelia Stahl, Mai 2025
Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich.
Jean Perron: L’extase simple de respirer / Die einfache Ekstase des Atmens
Gedichte: Französisch/Deutsch
Aus dem Französischen übersetzt von Reinhard Lechner.
Graz: Klingenberg Verlag 2023/2024
117 Seiten
14,90 Euro
ISBN 978–3‑903284–14‑2
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