Die schreckliche Stadt K. – Judith Gruber-Rizy
Von den Unwägbarkeiten weiblicher Lebenszusammenhänge erzählte Gruber-Rizy im Vorgängerroman „Eines Tages verschwand Karola“. Auch im aktuellen Werk steht eine weibliche Figur im Fokus: Rosa, Enddreißigerin, stets bemüht, den Erwartungen der Eltern und des Ehemannes zu entsprechen, beschließt, allein in die griechische Stadt K. zurückzukehren. Ihre Intention ist es, sich den Fallstricken emotionaler Abhängigkeit, insbesondere dem Vater Max gegenüber, zu entziehen und auf Distanz zu gehen.
Der namenlose Urlaubsort, Sinnbild für äußere und innere Erschütterungen, scheint wie verwandelt. Rosas Erinnerungen decken sich nicht mit dem, was sie vorfindet: Die einst zerstörte Kirche erstrahlt in neuem Glanz. In Gedanken lässt sie zurückliegende Ereignisse, einem Schwarz-Weiß-Film gleich, Revue passieren. Irritiert und verzweifelt tritt sie den Rückzug an und verharrt in ihrem Hotelzimmer. Nur Bücher bieten ihr Schutz: „Sie kann es wie ein Schild vor sich halten.“ (S.61).
Die metaphorische und bildreiche Sprache versinnbildlicht Rosas innere Zerrissenheit und ihr Ringen um einen Platz im Leben, vergleichbar mit der Figur in Annie Ernaux´s Roman „Der Platz“. Nächtliche Sprünge vom Balkon und Strandspaziergänge im Mondschein sind vergleichbar mit dem Sprung in ein neues Leben, ein Loslassen erstarrter Verhältnisse. Der (wandelbare) Mond als Zentralgestirn fungiert hier synonym für menschliche Verwandlungen, erinnert an Arno Schmidts Mondmetaphern. Rosas Entscheidungen, wie „Max hat hier kein Mitspracherecht“ (S.78) und „Ich will nicht mehr“ (S.80) markieren einen Richtungswechsel.
In der flüchtigen Begegnung zwischen Rosa und Luis, der von seiner Flucht erzählt, verknüpft die Autorin Politisches und Privates. Die jeweils erlebten Brüche signalisieren Wendepunkte im Leben der Figuren.
Judith Gruber-Rizy, geboren 1952, lebt in Wien und Oberösterreich, studierte Germanistik und Theaterwissenschaften. Preise: Theodor-Körner-Preis etc.
Ein Roman, der zeitgenössische Themen aufgreift! Unbedingt lesen!
Cornelia Stahl, Mai 2021
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich.
Judith Gruber-Rizy: Die schreckliche Stadt K.
St.Wolfgang: Edition Art Science. 2020.
198 Seiten
15,00 Euro
ISBN: 978–3903335080
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Cornelia Stahl ist Sozialökonomin und Absolventin des Lehrgangs „Schreibpädagogik“. Sie ist Redakteurin bei Litges.