Gips­kind – Gabriele Kögl

Eine Rezen­sion von Petra Ganglbauer

Auf die ihr eigene unnach­ahm­liche Weise, in bewusst einfa­chem, konkretem Stil, erzählt Gabriele Kögl in ihrem jüngsten Roman die Entwick­lung einer jungen Frau in den Sech­zi­gern, von ihrer frühen Kind­heit bis zum Schritt in die Eigenverantwortlichkeit.

Das Leben auf dem Land, in Verhält­nissen, die hart an der Exis­tenz nagen, wird durch die emotio­nale Zurück­hal­tung der Eltern, vor allem der Mutter, durch seeli­sche Kälte und Isola­tion aber auch durch die Liebe zur Groß­mutter gespie­gelt. „Die Kleine“ findet sich in einer Welt der länd­li­chen Rituale wieder, die sie zwar miter­lebt, sie selbst jedoch fühlt stets irgendwie an den Rand gedrückt, tole­riert, aber eben nicht wirk­lich einbezogen.

Da sie mit neun Monaten noch immer nicht aufstehen kann, werden für längere Zeit beide Beine in Gips gelegt. Mehrere Spitals­auf­ent­halte folgen, welche die seeli­sche Isola­tion der „Kleine(n)“ noch verstärken. Mit den in Gips gespreizten Beinen wiegt sie schwer. Gerade diese Sequenzen im Buch sind beson­ders berührend.

Eine Zäsur im Leben der Prot­ago­nistin ist vor allem jener Teil des Buches, in dem „die Kleine“ den ebenso jungen Arthur aus gutem Hause kennen­lernt und zur Andrea wird.

Gabriele Kögl skiz­ziert rurale und urbane Milieus, Kultur und Eigen­heiten der Sech­ziger Jahre mit äußerster Genau­ig­keit. Die inhalt­liche Dichte in dem vorlie­genden Buch ist über­wäl­ti­gend: Kögl spannt den Bogen von Alltags­sze­ne­rien bis zur Selbst­wer­dung von Andrea, als diese sich, letzt­lich gemeinsam mit Arthur, aus der fami­liären Abhän­gig­keit befreit. Und beide haben eine Vision.

Wieder ein über­zeu­gendes Buch jener Autorin, die im Jahre 2019 für ihr Hörspiel „Höllen­kinder“ den Prix Europa für das beste euro­päi­sche Hörspiel des Jahres erhielt.

Petra Gangl­bauer, August 2020
Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfas­se­rInnen verantwortlich.

Gips­kind: Gabriele Kögl
Wien: Picus-Verlag, 2020
336 Seiten
EUR 25,00
ISBN: 978–3‑7117–2098‑6

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