In einer kompli­zierten Bezie­hung mit Öster­reich – Martin Peichl

Eine Rezen­sion von Petra Ganglbauer

Das anspre­chend gestal­tete zweite Buch von Martin Peichl mutet wie eine gekonnte Fort­set­zung seines Debüts „Wie man Dinge repa­riert“ an. Flanierte der Autor in seinem ersten Buch bei allem Tief­gang von einem Themen­kreis zum nächsten, streifte Bezie­hungen, Erin­ne­rungen, sich selbst – so ist es hier, in diesem zweiten Buch, trotz des Kapi­tel­reich­tums und der opti­schen Ergän­zung in Form von Bier­de­ckel­no­tizen, ein noch deut­li­cheres „In-Die-Tiefe-Gehen“, ein mit poeti­schen Händen in der Erde „Wühlen“, ein „Graben, Einsinken“ mithin.

Martin Peichl stellt sich diesmal noch sicht­barer als im ersten Buch  inner­see­li­schen und welt­li­chen Befind­lich­keiten und Ereig­nissen, die privaten und poli­ti­schen Bereiche durch­kreuzen einander, sodass es schmerzt; weil sich die jewei­lige Gefühls­lage, die Turbu­lenzen, denen sich der Ich-Erzähler lite­ra­risch aussetzt, gewis­ser­maßen zeit­gleich auf die/den LeserIn über­tragen. Die Texte schwingen in konse­quent über­setzten Gefühlszuständen.

Wieder greift der Autor Bezie­hungen, Auswüchse des Zeit­geists, Alko­ho­lismus, Kind­heits­er­in­ne­rungen auf; mehr noch, er holt auch jene Sphären in den Text, die ungreifbar sind, obgleich die dahinter liegenden Themen (etwa die Suche nach einer mögli­chen Verwur­ze­lung) schwer wiegen. Beson­ders berüh­rend in diesem Zusam­men­hang: Die aura­ti­schen Foto­gra­fien aus den Kind­heits­tagen des Autors, die beinahe wie Kirlian-Fotos anmuten, weil sie Unsicht­bares spürbar machen: Lücken, eine große Einsamkeit.

Ein Buch, das formen­reich ist, span­nend wie ein Krimi und das Wesent­liche im mensch­li­chen Leben voll­kommen frei von Outriert­heit spiegelt.

Petra Gangl­bauer, Oktober 2020
Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfas­se­rInnen verantwortlich.

In einer kompli­zierten Bezie­hung mit Öster­reich: Martin Peichl
Wien: Kremayr & Sche­riau, 2020
224 Seiten
24,00 Euro
ISBN: 978–3‑218–01230‑0

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