Lauergrenze, Mensch! Gedichte. – Petra Ganglbauer
Eine Rezension von Cornelia Stahl
Menschliche Abgründe
Was ist der Mensch? Und wie zeigt er sich im Anthropozän?
Wie gestaltet er seine Beziehungsgeflechte gegenüber Mensch, Natur und Tieren?
In Ganglbauers Gedichten spüren wir den Ambivalenzen des Menschen nach, seinem widersprüchlichen und verantwortungslosen Verhalten gegenüber der Umwelt.
Die von ihm verantwortete Verwüstung der Erde, Massentierhaltung, die Folgen der Digitalisierung und die zunehmende Verrohung (der Sprache) spiegeln sich in Ganglbauers Versen, wie das vorliegende Gedicht exemplarisch zeigt:
„Auch Tiere bluten als
Fleischliches Gewölk nicht
Fest & farbig, blind“
Anknüpfend an den Vorgängerband „Gefeuerte Sätze“ (2019) greift die Autorin wiederholt Gegenwartsthemen auf, zum Beispiel Krisen, Klimawandel, Krieg, Zerstörung, Flucht sowie Entmenschlichung und Entsolidarisierung. Das folgende Gedicht spricht davon:
„Im Border-Land zwischen
Den wässrigen Aufenthalt –
Räume der vergangenen Seelen“
(Seite 52)
Alle Gedichte umfassen ein weites Spektrum an Bildern und Assoziationen und ermöglichen Mehrfachdeutungen. Worte wie Border-Land enthalten Sprachspiel und Kritik, verweisen auf die konzise Arbeit der Autorin, die nichts dem Zufall überlässt. Alles ist möglich: Zeilenumbrüche, kursiv oder in Klammern gesetzte Worte, Großschreibung am Versanfang: alles ist bewusst gesetzt und erzielt die jeweilige Wirkung beim Lesen.
Dazwischen leuchten Fragmente, Metaphern und Bilder auf:
„Die Flug-Maschine liegt
Auf dem Leichenfeld
Das Drohnencamp ist löchrig:
Riesensieb“
(Seite 53)
Was ist der Mensch? Wie zeigt er sich im Anthropozän? Auf diese anfangs gestellten Fragen komme ich nochmals zurück. Antworten darauf finden wir in den Verszeilen, denn Petra Ganglbauers Lyrik legt den Finger auf die Wunde(n), benennt Missstände und formuliert Botschaften im Subtext: Wir können uns nicht herauswinden aus gegenwärtigen Krisen! Wie müssen genauer hinschauen, Haltung und Verantwortung zeigen (und tragen)!
Das Abschlussgedicht verführt zu einem Blick „Dahinter“:
„Der Rekord (Blick) ins All
(…) Reich&auf den Unter Gang aus“
Dem Lyrikband wünsche ich aufmerksame Leser:innen. Manche Gedichte erschließen sich nicht sofort. Es ist ratsam, der Gewohnheit zu folgen, Gedichte zweimal zu lesen.
Cornelia Stahl, Dezember 2023
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich.
Petra Ganglbauer: Lauergrenze, Mensch!
Innsbruck: Limbus Lyrik 2023
96 Seiten
15 EURO
ISBN 978–3‑99039–239‑3
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