Heute graben – Mario Schlembach

Eine Rezen­sion von Tobias March

Mario Schlem­bach ist selbst­stän­diger Toten­gräber und Schrift­steller, und auch die Haupt­figur seines Buches „Heute graben“ betä­tigt sich in diesen Berufs­fel­dern. 
Die Frage nach Über­schnei­dungen des Prot­ago­nisten und des Schrift­stel­lers, da beide noch dazu Mario heißen (S. 159), erüb­rigt sich, wenn man Seite 85 liest. Die Freundin J. fragt: „Bist du das in dem Buch? Ist das alles wirk­lich so passiert?“ Mario antwortet: „Ist nicht alles, sobald es aufge­schrieben wird, Fiktion? Und ist diese Welt, in der wir leben, nicht bereits so über­in­sze­niert, dass jede Wahr­heit nur Illu­sion sein kann?“
Auch im persön­li­chen Gespräch erklärt der Autor: „Beim dritten Buch macht man sich nicht mehr so einen großen Kopf, was ist jetzt fiktional, was ist real, was aus meinem Leben, was erdacht.“
Die Haupt­figur hatte eine verhei­ßungs­volle Begeg­nung mit A. im Zug, und kann danach an nichts anderes mehr denken. „Viel­leicht wird A., wenn wir mehr sind als unsere eigene Geschichte, wenn es eine Sprache gibt, die über uns selbst hinaus­geht, ewig bei mir sein.“ (S..61)
A wird durch viele andere Frau­en­be­zie­hungen abge­löst, B, C, D, E usw., aber keine der Bezie­hungen ist so tief, wie die Sehn­sucht nach A.
Außerdem wird beim Prot­ago­nisten des Romans eine myste­riöse Lungen­krank­heit á la Thomas Bern­hard entdeckt. Wie soll der Prot­ago­nist damit umgehen? „Im Diagno­se­zen­trum komme ich sofort dran. Ober­körper frei­ma­chen. Ich betrachte mich von allen Seiten im Spie­gel­ka­bi­nett. Wie lange bin ich noch ich?“ (S.61)
Mario Schlem­bach weiß gut, wie mit den Hand­lungs­strängen Krank­heit, Liebe und Sehn­sucht, Alltags­leben und Versa­genspro­blemen der Schrift­stel­lerei umzu­gehen ist. Mit Witz und Charme werden sie kurz­weilig verbunden.
„Der Bestatter erzählt, dass eine Frau in sein Büro kam, die ihren Mann verloren hat. „Wie kann man den am schnellsten entsorgen?“, war ihre einzige Frage. „Nichts ist kälter als eine tote Liebe“, hat Romy Schneider in ihrem Tage­buch notiert.“ (S. 30) Wer lachen, mitleiden, Span­nung empfinden und sich manchmal auch gruseln möchte, der ist bei diesem Buch genau richtig. Eine sehr ehrliche witzige Geschichte, die die Menschen verbindet.

 

 

Tobias March, Jänner 2024

Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfas­se­rInnen verantwortlich.

 

Mario Schlem­bach: Heute graben
Wien: Kremayr&Scheriau 2022
192 Seiten
20 EUR
ISBN: 978–3‑218–01295‑9

 

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