Warum wir noch hier sind – Marlen Pelny

Eine Rezen­sion von Regina Schlager

Die Prot­ago­nistin lebt in Berlin, sie arbeitet für eine Casting-Show. Erzählt wird in der Ich-Perspek­tive in der Gegenwart.

Da ist der Strang mit der vergess­li­chen Groß­mutter. Die Ich-Erzäh­lerin besucht sie wöchent­lich in Halle. Der Groß­vater ist vor einigen Wochen gestorben. Und da ist der Strang mit Etty. Sie war die Tochter ihrer Freundin Heide. Bald wird klar: Die 14-jährige Etty wurde verge­wal­tigt und ermordet.

In der Geschichte wird geschil­dert, wie die Mutter des Mädchens und ihre Freundin, die Ich-Erzäh­lerin, mit dieser furcht­baren Tatsache umgehen. Sie fragen sich, ob sie es hätten verhin­dern können. Schmerz. Trau­rig­keit. Menschen, die sie plötz­lich meiden.

Berlin fühlt sich für die Prot­ago­nistin zuneh­mend schmutzig und gefähr­lich an. Die Angst vor sexua­li­sierter Gewalt ist allge­gen­wärtig. Diese stän­dige Bedro­hung, der sich die Prot­ago­nistin ausge­setzt fühlt, wird deut­lich, durch­tränkt den gesamten Alltag: allein durch den Park gehen, ein Inter­view mit einem Mann in dessen Haus führen, das Trep­pen­haus betreten und warten, bis die Tür zufällt. Die Welt als unsi­cherer Ort für Frauen.

Das Buch ist gleich­zeitig eine Geschichte über weib­liche Soli­da­rität. Die Frauen halten zuein­ander, kümmern sich umein­ander und helfen einander, über ihre schmerz­li­chen Gefühle zu reden und trotz allem weiterzuleben.

Ich mag die Bilder, die die Autorin findet, wie zum Beispiel: “Der Tag klebt mir im Nacken wie eine alte Geschichte, die ich unfrei­willig spazieren führe” (S. 60) oder “Groß­mutters Meinungen sind in ihrem Kopf so fest­ge­ba­cken wie die Brot­kruste, nach der sie sich sehnt” (S. 84).

Ein wich­tiges Buch, das auf beklem­mende Weise auf die so häufig immer noch tabui­sierte Gewalt an Frauen hinweist (bei den Angaben am Schluss gibt es eine Trig­ger­war­nung) und durch den Zusam­men­halt der Figuren zugleich hoff­nungs­froh stimmt.

 

Regina Schlager, Dezember 2024

Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfas­se­rInnen verantwortlich.

 

Marlen Pelny: Warum wir noch hier sind
Inns­bruck-Wien: Haymon-Verlag 2023
222 Seiten
19,90 EUR
ISBN 978–3‑7099–8197‑9

 

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