wir gehen. keiper lyrik 21 – Sandra Hubinger

Eine Rezen­sion von Petra Ganglbauer

Ein Prototyp von Lyrik ist tradi­ti­ons­gemäß das Natur­ge­dicht. Oft spie­gelt sich in ihm die Seelen­be­find­lich­keit eines lyri­schen Ichs oder einer verdeckten Sprech­in­stanz. Hierfür werden dunkle Wolken, der erstarrte See, die peit­schenden Wellen oder das aufkom­mende Gewitter bemüht.

Ganz anders, weil voll­kommen auf der Höhe der Zeit, souverän gestaltet und mit genau diesem Prototyp spie­lend aber eben diesen auch weiter­ent­wi­ckelnd – nein, ihn erfin­dend und also durch­que­rend – genau das macht Sandra Hubinger im vorlie­genden Band:
Und dieser ist eine Preziose im Reich der zeit­ge­nös­si­schen Lyrik.

Die Autorin legt mit diesem ihrem zweiten Gedicht­band eine hohe ästhe­ti­sche Latte: Sie schafft es, dass Form und Inhalt unaus­ge­setzt inter­agieren. Wir gehen mit den Gedichten, sie wiederum treiben uns an und voran geht mutig die Autorin und erzeugt eine immense lite­ra­ri­sche Dynamik:
Die Natur­phä­no­mene agieren ebenso wie die Menschen, sie beziehen sich aufein­ander, bewegen sich unauf­hör­lich – und mit der Zeit, mit ihrem Lauf – mischen sich die Auswüchse unseres gesell­schaft­li­chen Handelns ein, eine Unruhe sickert in die zunächst noch trotz aller Bewe­gung ausge­wo­gene Gedichtlandschaft.

Dicht die Sprache, und mit äußerstem Tief­gang tritt ein, in der zeit­ge­nös­si­schen Lyrik nicht allzu oft verwen­detes, kollek­tives „Wir“ in die viel­schichtig und akri­bisch gelegte lyri­sche Spur.

Empfeh­lens­wert!

Petra Gangl­bauer, Jänner 2020
Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfas­se­rInnen verantwortlich.

Sandra Hubinger: wir gehen. keiper lyrik 21
Graz: edition keiper, 2019
86 Seiten
EUR 15,40
ISBN13: 978–3‑903144–87‑3

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