Erinnerungen sammeln
Ein Interview mit Erika Kronabitter
Auch wenn man sich selten an Ereignisse vor seinem 3. Lebensjahr erinnern kann, bleibt noch genügend übrig, um in sich selbst Stoff für Texte zu finden. Erika Kronabitter unterstützt das Heben dieses Schatzes.
BÖS: Wie wichtig ist die Erinnerung als Quelle für das Schreiben?
Erika Kronabitter: Erinnerung kann auf vielfältige Weise passieren. Ein Duft kann mich an etwas erinnern. Nähert man sich der eigenen Vergangenheit über das Schreiben, können die verschiedenen Lebensereignisse, welche in unsere Gegenwart drängen oder auch nur kurz aufblitzen, gesammelt und genauer betrachtet werden. Das Erinnern, wie es im Workshop passiert, ist ein Sammeln, ein Betrachten von Bildern, gewissermaßen. Manchmal auch ein neues Hinsehen auf Erlebtes.
BÖS: Manche Menschen können sich besser erinnern, manche schlechter. Woran liegt das deiner Einschätzung nach?
Erika Kronabitter: Erinnern ist etwas Erlebtes, das im Gehirn abgespeichert ist. Die Qualität des Erinnerns hängt sicherlich von mehreren Faktoren ab. Es gibt Bilderinnerungen, Geräusch- und Klangerinnerungen und Erinnerungen an Gerüche oder Gefühle. Jeder Mensch hat eine andere Erinnerungsintensität und eine andere Erinnerungsaktivierung. Es passiert auch, dass sehr schmerzhafte Erlebnisse ganz verdrängt werden.
BÖS: Was ist deine früheste Erinnerung?
Erika Kronabitter: Erinnerungen vor dem dritten Lebensjahr sind eher selten. Ich erinnere mich an eine Situation als Kleinkind. Ich war aufgewacht und ich wollte gerade über das Gitter meines Gitterbetts hinausklettern, als meine Oma die Tür öffnete und ich ihr Erschrecken im Gesicht sah. Wahrscheinlich wäre ich kurz danach aus dem Bett gestürzt.
Erika Kronabitter, Oktober 2020
Erika Kronabitter leitet den Schreibworkshop „Schreibend erinnern – Autobiografisches Schreiben“, am 31. Oktober/1. November 2020.
Foto: Peter Bosch