Krea­ti­vität und Kürzestprosa

Ein Inter­view mit Claudia Dabringer und Erika Kronabitter

Wer kompri­mierte Prosa schreiben will, braucht Mut zum Strei­chen und eine gesunde Bereit­schaft um die Ecke zu denken. 

BÖS: Warst du immer schon kreativ?

Claudia Dabringer: Witzi­ger­weise habe ich mich über weite Stre­cken meines Lebens als über­haupt nicht kreativ erlebt. Doch das hing wohl damit zusammen, dass Krea­ti­vität einfach kein Thema war. Irgend­wann einmal wollte ich eine Ausbil­dung zur Werbe­as­sis­tentin machen und dachte mir, dass ich dazu Krea­ti­vität bräuchte. Das war der Zeit­punkt, wo ich mich zum ersten Mal damit ausein­an­der­ge­setzt habe. Und fest­stellen konnte: Krea­ti­vität durch­zieht alles.

BÖS: Wie meinst du das?

Claudia Dabringer: Kreativ ist man nicht nur, wenn man Kunst oder Kultur schafft. Ein Steu­er­be­rater kann genauso wie eine Köchin, ein Baumeister oder eine Profes­sorin kreativ agieren. Was genauer bedeutet: Krea­ti­vität denkt um die Ecke, findet span­nende Ansätze jenseits des Herkömm­li­chen und lässt uns staunen – oft auch über uns selbst.

BÖS: Wird in deinem Online-Work­shop gestaunt?

Claudia Dabringer: Das hoffe ich doch sehr. Wir schauen uns verschie­dene Möglich­keiten an, wie man Krea­ti­vität einladen kann. Ja, das ist tatsäch­lich notwendig und auch sinn­voll. Denn Krea­ti­vität kann auch einrosten. Und wir probieren natür­lich auch einiges aus – quasi als Aufwärm­übung für Erikas Work­shop am Sonntag.

 

BÖS: Erika, wie wichtig ist Krea­ti­vität, wenn man Kürzest­prosa schreiben möchte?

Erika Kronabitter: Viel­leicht ist Krea­ti­vität bei Kurz­prosa wich­tiger als bei allen anderen Text­sorten. Bei Kurz­prosa muss jedes Wort, jeder Satz sitzen, da gibt es kein Herum­la­vieren. Präzise und außer­ge­wöhn­liche Formu­lie­rungen – nur so bleibt ein Text den Lese­rInnen nach­haltig in Erinnerung.

BÖS: Kommt bei Kürzest­prosa nicht die Prosa zu kurz?

Erika Kronabitter: Lukas Bärfuß antwor­tete kürz­lich auf die Frage einer Jung­au­torin, welchen Tipp er ihr geben könne um einen guten Roman zu schreiben: Manu­skript lesen und 90% strei­chen. Das sagt eigent­lich alles. Demnach wären wohl so ziem­lich einige Seiten der ziem­lich meisten Bücher, die sich auf dem Markt befinden, ersatzlos streichbar.

BÖS: Welche/n Autor/in kannst du empfehlen, wenn man Kürzest­prosa lesen will?

Erika Kronabitter: Empfeh­lungen sind immer schwierig. Aber Petra Gangl­bauer und ihr Graz-Buch gehört sicher­lich dazu: „Mit allen Sinnen. Lite­ra­ri­sche Begeg­nungen. Ein Graz-Buch.“ (Edition Keiper 2018)

 

 Claudia Dabringer und Erika Kronabitter, Oktober 2020

Claudia Dabringer leitet den ONLINE-Schreib­work­shop „Krea­ti­vi­täts­tech­niken“ am 24. Oktober 2020 und Erika Kronabitter leitet den ONLINE-Work­shop „Geschlif­fene Kurz- und Kürzest­prosa“ am 25. Oktober 2020. 

Fotos: www.tica-foto.com und Peter Bosch