Sprache als ein konstitutives Phänomen des Menschen
Ein Interview mit Semier Insayif
Für den neuen Präsidenten des BÖS ist der Berufsverband ein wachsender, zentraler Ort für literarisch-künstlerisches Geschehen, aber auch für literarisch-künstlerische Aus- und Fortbildung. Semier Insayif sieht ihn als einen Knotenpunkt und Raum, in dem Diskussionen im Austausch mit großer Offenheit veranstaltet und geführt werden sowie eine Art poetisches Denken und poetologisches Menschenbild und Menschenverständnis gelebt wird.
BÖS: Was gefällt dir am Zugang der Schreibpädagogik?
Semier Insayif: Was mir am Zugang der Schreibpädagogik im BÖS gefällt, ist einerseits der stark literarisch-künstlerische Kern und Ausgangspunkt als inneres Zentrum und ein sehr offenes, breit angelegtes, interdisziplinäres Feld, das mitberücksichtigt und gestalterisch eingebracht wird. Sprache als ein konstitutives Phänomen des Menschen zu betrachten mit multiplen Auswirkungen auf das Individuum und die Gesellschaft. Ein fortwährendes Entdecken und Erfinden von gestalterischen Möglichkeiten mit den vielen dazu entstehenden Rückkoppelungsaspekten. Dieser grundsätzlich offene Resonanzraum wird dabei beleuchtet, in Frage gestellt und gemeinsam erforscht möglichst ohne vorgefasste oder gar determinierte Antworten zu geben. Gleichzeitig soll jeder und jede begleitet werden und der Austausch mit allen Erfahrungen gefördert, damit ein lebendiges poetisches Entwicklungsfeld entstehen kann. Das zeigt sich sehr deutlich, finde ich, auch an der Auswahl der Dozentinnen und Dozenten.
BÖS: Was hat dich an der Aufgabe gereizt, dem Berufsverband österreichischer SchreibpädagogInnen vorzustehen?
Semier Insayif: Zuerst mal hab ich mich gefreut, dass Petra Ganglbauer, die ja viele Jahre lang das Geschehen im BÖS maßgeblich mitgeprägt hat, auf mich zugekommen ist, um mich zu fragen, ob ich mir das vorstellen könnte. Diese gegenseitige menschliche und kollegiale Wertschätzung war also der Anfang. Da ich selbst seit sehr langer Zeit als Schriftsteller unter anderem auch Schreibworkshops, literarische Seminare und Veranstaltungen konzipiere, moderiere und leite, denke ich, dass ein lebendiger Austausch sinnvoll ist. Ich habe in vielen Feldern mit Menschen gearbeitet und tue dies noch, zum Beispiel im Kriseninterventionszentrum Wien oder als systemischer Coach, Mediator, Supervisor, Leiter von Gruppen mit gruppendynamisch-prozessorientiertem Schwerpunkt und interaktionsanalytischen Gruppen und in Ausbildungskontexten für Coaches, MediatorInnen oder KunsttherapeutInnen. Die künstlerischen Erfahrungen und die Erfahrungen mit Menschen in den genannten Feldern sind ja ein zentrales Zusammenspiel in der Schreibpädagogik. Das Interesse an den zusammenkommenden Energien ist da ein Reiz und die Idee BÖS als Institution, mittels regelmäßiger Veranstaltungen an literarischen Orten, stärker als bisher ins literarisch-künstlerische Feld zu bringen.
BÖS: Wo siehst du den BÖS in fünf Jahren?
Semier Insayif: Ich sehe den Bundesverband Österreichischer SchreibpädagogInnen als einen wachsenden zentralen Ort für literarisch-künstlerisches Geschehen, für literarisch-künstlerische Aus- und Fortbildung, für einen Knotenpunkt und Raum, in dem Diskussionen im Austausch mit großer Offenheit veranstaltet und geführt werden und eine Art poetisches Denken und poetologisches Menschenbild und Menschenverständnis gelebt wird.
Foto: Ian Ehm