Wir waren Marktschreiber
Ein Rückblick von Barbara Rieger
Ich gebe zu, ich war skeptisch. Peter Bosch musste mich richtiggehend überreden, bei seinem GAV-Projekt „Marktschreiber“ mitzumachen. Hannah Sideris, Erika Kronabitter und Walter Baco waren leichter zu überzeugen.
Schon öfter hatte Peter AutorInnen als „Straßenschreiber“ auf die Straße geschickt, zum Beispiel am Stock-im-Eisen-Platz in der Wiener Innenstadt, und schon damals waren BÖS-Mitglieder dabei: Erika Kronabitter, Irene Wondratsch und Walter Baco.
Diesmal sollten wir am Meidlinger Markt, unweit des BÖS-Ateliers in der Vivenotgasse, schreiben und zwar Texte nach Wunsch der MarktbesucherInnen.
Ich gebe zu, ein Teil von mir hoffte sogar, dass der in Wien angesagte und seit Tagen zu erwartende Regen endlich herabfallen würde und wir den Termin verschieben müssen. Nicht weil ich so große Angst vor dem Ansturm der Massen und der von mir erwarteten Textproduktion hatte, sondern weil wir zum Beispiel mit dem Aufbau dieser Webseite einiges zu tun hatten.
Doch es regnete nicht und wir bezogen den Platz, den uns die Betreiber des Meidlinger Sommerfests, das an diesem Samstag stattfand, zur Verfügung gestellt hatten. Kaum hatte ich mich hingesetzt, bekam ich auch schon meinen ersten Textauftrag. Claudia wünschte sich einen Text zum Thema „Auf der Suche nach einer Fahrradwerkstatt“.
Ich hatte mir vorgenommen, nicht irgendwelche Texte, sondern Texte für die Personen zu schreiben, das zu schreiben, wonach sie sich sehnten, das in Sprache umzuwandeln, was ich wahrnahm, spürte und natürlich auch fantasierte.
Als Claudia mit ihrer Freundin zurückkam, las ich ihr den Text vor und beobachtete gespannt die Reaktion. Offenbar war es mir gelungen, denn die Freundin wünschte sich sogleich auch einen Text, zeitgleich kam eine zweite junge Frau mit einem Textwunsch, später noch eine und noch eine.
Meine KollegInnen schrieben ebenso fleißig und verteilten ihre Texte, Peter fotografierte und sprach MarktbesucherInnen an, die zwar interessiert, aber ein wenig schüchtern waren. „Irgendein Text?“, „Für mich?“, „Einfach so?“, „Gratis?“, fragten sie nach und waren überrascht, erfreut und zum Teil sehr berührt, als sie ihren Text vorgelesen und überreicht bekamen.
Man bekommt nicht jeden Tag einen Text geschenkt und man schreibt auch nicht jeden Tag persönlich Texte für jemand anderen, den man nicht kennt. Nachdem ich diese Erfahrung machen durfte, würde ich sogar sagen, man macht das viel zu selten! Denn es ist für beide Seiten eine große Freude und gibt richtig gute (poetische) Energie!
Barbara Rieger, Juni 2018
Fotos: Peter Bosch