Filzpatschenbrösel
Ein Text von Gabriela Fink
Es war mir unangenehm, ihr die muffigen Filzpatschen anbieten zu müssen, aber ich hatte keine Wahl. Etwas anderes war nicht vorrätig und es wäre mir unhöflich vorgekommen, sie ohne einen wärmenden Untersatz auf den kühlen Fliesenboden zu bitten.
Der Boden war kalt, so wie der ganze Raum sich nicht aufwärmen wollte heuer, obwohl er südwestlich lag. Die Sonnenstrahlen fielen um diese Jahreszeit nicht schräg genug, um die milchigen Scheiben zu durchdringen und etwas von ihrer Kraft hereinzulassen.
Sie ließ sich einen etwaigen Ekel nicht anmerken und schlüpfte in die unschönen, braun-karierten Latschen. Als erstes richtete sie ihren Blick auf die alte Kommode, die der Schwiegervater liebevoll restauriert hatte und verwickelte mich in ein Gespräch über Restaurierungen, von dem sie nahtlos in Monologe zu Möbelstücken in der Biedermeierzeit überging.
Wie immer ließ ich mich von ihren Ausführungen und ihrem Halbwissen oder Wissen, ich konnte es nicht beurteilen, beeindrucken. Meine Unterschenkel verschlangen sich verkrampft ineinander, mein angespannter Rücken schmerzte. Hin und wieder nahm ich meinen Mut zusammen und blickte provokant auf die Pendeluhr in der Ecke.
Sie schien mein Unbehagen nicht zu bemerken, trank nur wenig von dem Fencheltee, den ich ihr auf das kleine runde Tischchen gestellt und in die schönste Tasse, die ich finden konnte, gefüllt hatte, redete vielmehr über Schwerverständliches aus früheren Epochen. Ich hörte auf, zuzuhören. Trotz allem beeindruckte mich ihre Professionalität und ihre gewandt arrangierte Sprache, ihre kühle Eleganz, wie sie mit übereinandergeschlagenen Beinen dasaß und nicht durchblicken ließ, was sich in ihrem Innersten abspielte.
Als sie gegangen war und ich erleichtert das benutzte Geschirr abräumte, bemerkte ich sie erst: Millionen von kleinen, braunen Filzpatschenbröseln hatten sich unter dem Stuhl, auf dem sie gesessen war, angesammelt. Wie Ungeziefer lagen sie da, leichter Ekel stieg in mir hoch.
In diesen unschönen Knäueln sah ich es plötzlich glaskar: ihr zerbrochenes Inneres hinter ihrer perfekten Fassade, das sie mit aller Gewalt vor mir zu verbergen versucht hatte.
Der Text von Gabriela Fink ist im Modul „Sprachinszenierungen“ des aktuellen Lehrgangs „Schreibpädagogik“ mit Petra Ganglbauer entstanden.
Die Schreibaufgabe:
2 Kategorien – Substantive finden: KLEIDUNG – ESSEN
Composita bilden: zusammengesetzte Substantive, die es nicht gibt