Im Fünfer
Ein Text von Gudrun Kapeller
Die Häuser liegen in Trümmern, Krater an der Häuserflucht. Zum Frieden gibt es keine Brücke. Wir sind weit von ihm entfernt. Das sagt uns die blau-gelbe Fahne, die vom Balkon in die Welt hinausweht.
Ich bin ja nicht das Problem, sondern du
Der Unterschied zwischen Blättergatsch und Kaugummimatsch ist nicht wahrnehmbar. Ob in die Tiefe gestürzt und plattgetreten oder totgekaut und ausgespuckt – es fühlt sich dann doch alles irgendwie gleich an.
Bei dir ist das immer alles schwierig
Revoluzzerhausabbrüche geben die Sicht frei auf das, was dahinter verborgen scheint. Aber dass Löwenzahn sich stets durch Asphalt revoluzzert, kann man eigentlich auch ohne Abriss erkennen.
Sich fügen heißt lügen
Wer hat sich schon jemals gefragt, ob sich weiße Tauben ob ihres Gefieders unter all den grauen Mäusen diskriminiert fühlen? Does white life also matter?
Don’t try to be an apple, if you are a banana
Man kämpft den Kampf gegen die urbanen Hitzeinseln an einem Ort, an dem es verboten ist, Waffen bei sich zu tragen. Der Sieg kann dort auch nicht betrunken werden. Es ist die urbane Kälte, die uns sozial vertrocknen lässt.
Wir bauen auf Ihr Verständnis
Seit zwei Jahren machen wir vieles im Gehen. Wir klicken und sammeln. Es liegt uns in den Ge(h)nen, wir sind Jäger und Sammler.
Your future is under construction
Gegensätze ziehen sich an, aber gleich und gleich gesellt sich gern. Nicht einmal ein bunter Zebrastreifen kann uns auf den richtigen Weg führen, denn die Reifen des E‑Autos ragen über die Parkplatzmarkierung und erschweren das Vorankommen.
Sei Maximum Du
Dass wir Vollgas geben, haben wir bereits bewiesen. Wir stolpern über goldene Steine, die uns in den Weg gelegt werden. Sie zeugen von Flucht und Verbrechen in einem Land vor unserer Zeit. „Dein goldenes Haar, Margarete – dein aschenes Haar Sulamith.“ (1)
Wir pflegen unsere Zukunft
Zwischen Glashausriesen lässt man steppiges Stadtgrün wachsen, in allen Farben: türkis, rot, pink. Nur Schwarzmalerei, davon hatten sie genug. Jetzt verspricht man uns das Blaue vom Himmel, den man über so viel rot-weiß-rotem Fassadenpatriotismus gar nicht wirklich sieht.
Das Glück ist zum Greifen nah
Der erste Kindergarten Österreichs für kleine ForscherInnen und EntdeckerInnen blüht im regenbesudelten Altbaugrau und zwischen Neubaubäumen schmiegen sich akkurat weggeworfene Tschickstummel in monk’scher Perfektion ans Gleis. An allen Fronten ist schon für Nachschub gesorgt.
Ich glaub, es gibt keine Kinderabteilung
Die Kinder weinen zurecht.
Kärnten, Abenteuercamp, Thailand, Bauernhof – aber dann haben wir eine Woche Ferien
Da weint das Kind gleich lauter, wenn es merkt, was ihm auf dieser Welt bevorsteht.
Endstation
Wien kennt auch mich oft weinend.
(1) Paul Celan – Die Todesfuge
Der Text von Gudrun Kapeller ist im Schreibworkshop „Urbane Textfelder“ mit Brigitta Höpler entstanden.