Schreiben als Ressource
Texte von Anita Steidl und Christina Breil
Anita Steidl
“My home is my castle”
Da gibt es einen Raum in mir, da ist alles möglich. Da kann ich als Elfe über Teiche schweben oder von oben in Wohnungen reinschauen. Dort bin ich ohne Alter und nichts tut mir weh. Dort sehe ich viel und kann alles schreiben.
Aber nein – komm zurück:
Erst seit einigen Jahren habe ich den Luxus eines eigenen Arbeitszimmers. Hier ist der Schreibtisch mit Blick auf den Garten. An guten Tagen sehe ich bis zum Gebirge, sogar den Traunstein erkenne ich. An nebligen Tagen fühle ich mich eingehüllt in einen Wattebausch, abgeschottet von den Anderen. Hier steht die rote Couch. Jederzeit bereit, mich und meine Träume aufzunehmen. Aber auch Laptop, Tablet, Bügeleisen und Staubsauger stehen hier. Zu viel Ablenkung statt konzentriertem Schreiben.
Also hinauf mit mir ins Obergeschoss. Dort ist das Lesezimmer. Inmitten meiner geliebten Bücher fühle ich mich wohl. Aber womöglich zu wohl? Wahrscheinlich wird es mir auch dort nicht gelingen konzentriert zu schreiben. Denn der Stapel ungelesener Bücher wird mich aufdringlich ermahnen. Was also tun? Im Garten schreiben? Dort zwischen den blühenden Marillenbäumen und üppig wuchernden Rosenstauden wird mein Blick auf die Beete fallen, die darauf warten vom Unkraut befreit zu werden. Und gehören nicht die Salatpflänzchen gegossen? Die Hühner haben schon wieder bei den Erdbeeren herum gescharrt. Ich sollte den Weg säubern.
Nein, so komme ich nicht weiter.
Ich brauche ein Zimmer für mich allein. Ein Zimmer, das frei ist von Verlockungen oder liegen gebliebener Arbeit. Ein Zimmer, in dem keine Gäste schlafen dürfen und zu dem keiner Zutritt hat.
Da fällt mir ein: Da gibt es ja noch den Dachboden. keiner kommt je dorthin. Nur der Staub vergangener Jahrzehnte liegt dort. Ich werde die
alte Schulbank hinauf stellen, mein Schreibheft und den Stift schnappen und mich dorthin zurückziehen. ich bin daheim und doch nicht
erreichbar. Ich bin am sicheren Platz, aber nicht abgelenkt. Niemand weiß, wo ich bin.
Nur ihr.
Christina Breil
Unablässig heiß brannte die Sonne vom Himmel. Sie stand so hoch im Zenit, dass nicht einmal kleine Schattenflecken entstanden, in die man sich hätte flüchten können. Hier schien sich niemand dafür zu interessieren, die Menschen warfen sich ins Meer, schleckten Eiscreme oder tranken kühle Limonade, doch ihr war nach nichts von alldem. Sie sah kein Meer und schmeckte kein Süß, sie spürte nur die unendliche Hitze, sog sich voll damit, um sich abzulenken von der unendlichen Leere in ihr. Das Meer schien gewaltig, die Wellen spülten an den Strand im immer gleichen, monotonen Rhythmus. Kinder schrien, zankend oder vor Freude, auch das war ihr egal. Auf ihrer Haut bildete sich ein Schweißfilm. Ich sollte mich eincreme, dachte sie sich. Widerstrebend setzte sie sich auf und kramte in ihrer Tasche nach der Sonnencreme. Sie war nachlässig gewesen damit. Drei Finger voll Sonnencreme sollte man allein für das Gesicht verwenden, die ganze Tube sollte nur wenige Tage halten, doch ihre war noch fast voll. Trotzdem war sie nicht verbrannt. Immerhin. Sie drückte etwas Creme in ihre Handflächen und rieb sich die Arme, das Gesicht und den Bauch ein, dann verging ihr auch dazu die Lust. Sie ließ sich wieder zurück in die Liege fallen und blickte in den Himmel. Nicht eine Wolke war zu sehen, nur tiefes Blau, und diese gottverdammte Sonne. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, hierher zu reisen? Sie hasste den Strand, das klebrige Meer und diese unerträgliche Hitze. Schon immer. Wie war sie nur auf die Idee gekommen, dass ausgerechnet ein Sommerurlaub im Süden sie auf andere Gedanken bringen konnte? Wahrscheinlich war sie irgendeiner klischeehaften Vorstellungen aus kitschigen Liebesfilmen gefolgt, in denen junge Frauen ihren Liebeskummer am Meer heilen und die Liebe ihres Lebens finden oder zumindest ein Trostpflaster, in denen die Probleme am Flughafen zurückbleiben und man auf einmal den geilsten Sommer erlebt, weil man ja eh nichts mehr zu verlieren hat. Aber so ist es nicht, der Liebeskummer reist nämlich mit einem mit, genau wie allen anderen Probleme. Sie füllen den Koffer und das Herz und blockieren den Geist und jeden Sinn für Schönheit, sie rauben die Energie und jede Motivation, überhaupt irgendetwas zu erleben, sodass man am Ende auch nur herumliegt und nach oben starrt, nur, dass man im Gegensatz zu zu Hause dabei einen Sonnenbrand bekommt.
Die Texte sind im Schreibworkshop “Schreiben als Ressource” bei Erika Kronabitter entstanden.