Text­wer­dung

Ein Text von Christa Neumayer

Meine Welt entsteht im Schreiben, im Denken, im Reflek­tieren, im Sortieren, im Sequen­zieren, im Heraus­pi­cken, im Konstru­ieren, im Konzeptualisieren.

Manchmal schwebe ich zwischen Wach­sein und Traum­land, erstaun­lich konkret anmu­tende Text- und Zeilen­schnipsel erscheinen und kreisen im Kopf. Ein physi­sches Aufrichten, ein Tasten nach Papier und Griffel, es geht los. Das Werk­zeug des Free Writing beflü­gelt den Gedanken- und Schreib­fluss. Nur zu, wildes Drauf­los­schreiben und Wörter­werfen. Mein biogra­phi­sches Projekt harrt gespannt der Erin­ne­rungs­splitter. Ich schreibe leise um ein Thema, einen Lebens­ab­schnitt, ein Ereignis herum, pirsche mich unge­niert heran, lasse es nicht los, umzingle hemmungslos meine Kind­heit und Jugend.
Nach gefühlten hundert Schreib- und Wort­sam­mel­at­ta­cken wachsen viele vieler­orts verbor­gene Blät­ter­berge. Ein tiefes Atem­holen. Ein Auftau­chen. Gedanken- und Buch­sta­ben­knäuel wollen entwirrt sein.
Unter perma­nentem Koffe­in­e­influss nehme ich nun entschlossen und ziel­ori­en­tiert die Text­pro­duk­tion in Angriff. Mit Hilfe von Wort- und Satz­clus­tern errichte ich mein Gebäude,
wühle im Schatz­koffer der lite­ra­ri­schen Werk­zeuge und Stil­mittel – wie war das verflixt noch einmal mit Meta­phorik und anderem deko­ra­tiven Bild­ma­te­rial?
Schritt­weise ersinne ich Kapitel und Sequenzen, verziere sie mit Titeln und bear­beite konse­quent den auf Papier gebannten Wild­wuchs an Wörtern und Satz­krea­tionen.
Ein Ordnungs­ver­such. Welch Glück – der tech­ni­sche Fort­schritt; digi­tale Errun­gen­schaften und Instru­men­ta­rien zähmen scheinbar spie­le­risch meine Text­fluten. Ein fragiles Wirr­warr aus nieder­ge­schrie­benen Gedanken formiert sich zu einem festen Textwall.

Sich wild gebär­dendes Erin­ne­rungs­ma­te­rial mutiert im selbst­ver­gessen-konzen­triert-vergnüg­li­chen Schreib­pro­zess zu einer biogra­phisch-fiktio­nalen Erzählung.

Wer – außer mir – wird sich noch daran erfreuen??

 

Der Text ist nach einer Schreib­an­lei­tung von Erika Kronabitter im Work­shop “Was ist Schreib­päda­gogik?” entstanden. Die Teil­nehmer­Innen sollten über einen Aspekt aus den WS-Inhalten, welcher sie beson­ders inter­es­siert, schreiben. Da Christa Neumayer das Thema “Prozess­ori­en­tie­rung des Schrei­bens” sehr ange­spro­chen hat, hat sie einige Refle­xionen über die Entste­hung eines lite­ra­ri­schen Textes angestellt.