Welttag der Poesie (21.März)

Texte von Erika Kronabitter, Susa Hämmerle, Kath­rine Bader, Susanne Aist­leitner, Andrea Penkhues und Andrea Kerstinger

Erika Kronabitter

versteckt der wunsch

gins­ter­gelb das gärt­chen
im immer­blauen schwarzen loch
verschiebt sich vogel­frei der sommer
es mehren sich die unge­reimten reime.

paral­lelen mehren sich
eine bruch, ein fehler, riss ein hinter­treiben wie
absichtslos. nur nachts gestatten wir den träumen
c‑dur und sympho­nien.
etwas verschiebt sich und vergeht

andres vermehrt sich schön wie lapis lazuli

chan­cen­leer der ster­nen­himmel
hart die h(k)erzen die verglimmen
auch kein luftzug kein nächster schritt
nur noch zähes ringen
c‑moll in dieser zeit. fels­bro­cken stein geröll
tief zutiefst versteckt der wunsch
einfach nur geliebt zu werden
wie zärt­lich­keit wie

 

Susa Hämmerle

Fisch­hoch­zeit

Feucht vom ersten Ufer­gras
dein Fuß dein Tritt dein
rotent­wöhnter Mund
ins Haar geflochten Algen­grün
vom langen Schlaf
am Meeres­grund.

Des Nachts ziehn Schiffe
übers Wolken­laub
sie tragen schwere Fracht
– wie wohl sagst du
tut dir der Regen –
netzt die Silber­flossen sacht.

Am Morgen blüh‘n wie Zeichen
deine Stapfen tief im Sand
“die Fisch­hoch­zeit” so
singen wir “gewinnt
geschwind an Land!”

Abschied

Dein Müdes
hat sich aufge­schwungen
es nimmt den Weg ans Meer
Das Salzige als Kompass hast
du seit Urbe­ginn im Mund
dein Sehnen bläht das Segel
so weht es dich voran zu dir
Ein fernes Bild wogt auf in mir:
ich sehe das Gekräusel
deines Lächelns in den Wellen
und bin dir zugetan
wie nie zuvor.

Voll­streckt

Kein Blatt passt
dazwi­schen ist Schweigen
wir der Ausgang
gesperrt ins Leere
zielend all die Versuche
zu verorten: uns,
ein Leib­ge­dinge, mehr
als nur bis dass
der Tod …

Jawort obsolet im Abstand
der Umar­mung selbst
die Augen treffen
nicht auf den erlaubten
Wegen wo die Frei­heit
endet und als Glück
ein Kuss nicht leimt –
die Nähe ist
voll­streckt.

 Was wir brauchen

Wir kreuzen uns
am Hohlweg der Sprache
dort
wo die Augen
das Sagen haben
Wir brau­chen
keine Namen fürein­ander
wir brau­chen kein Haus
wir brau­chen keine Stunde
Was wir brau­chen
ist die Dämme­rung
zum Schweigen hin:
AUGENNIEDERSCHRIFTEN!

Es dunkelt schon die Zeit

Traurig bin
dein Bild
als Schat­ten­riss
vor der so krei­schend
roten Sonne …
Es dunkelt schon die Zeit
wo ohne dich
ein Morgen blaut
und Narben blühen
auf der viel zu weiten Haut.

 

Kath­rine Bader

Lube­nice

Lang nicht mehr began­gene Wege
Gräber längst Verges­sener
Leere Kirche in heißer Stille
Unter­bro­chen vom Blöken der Schafe
Und dem uner­müd­li­chen Schnarren der Zikaden
Dem Klicken von Foto­ap­pa­raten.
Nur das Meer besteht in seiner uner­bitt­li­chen Bläue.

Dem Fels abge­trotzte Felder
Umgeben von Stein­mauern
Die vor sich hin bröckeln
Häuser ducken sich zusammen
über steilem Abgrund
Mühsal von Gene­ra­tionen
Verkommen zum Touris­ten­idyll.
Nur das Meer besteht in seiner uner­bitt­li­chen Bläue.

 

Susanna Aist­leitner

Früh­lings­lied

Seichte, endliche Strahlen wischen milch­schaum­weiße
Schleier über die Hori­zont­linie,
vom glei­ßenden Frost­grau der Schie­nen­stränge stechen
spitze Licht­na­deln in den frühen Tag.
Forsy­thie ergelbt.
Siena errötet an den glatten Trieben der Deutzie.
Der Felder blass­grünes Kraut­kleid fault.
Glas­klare Tröpf­chen sättigen der Erdkrumen Lehm­braun.
Derwi­schweiße Blüten­röcke tanzen zwischen rost­braunen Laubs­ke­letten,
der Himmel stählt sein Blau.
Ein Spaten sticht in säuer­li­ches Erdbraun,
während trüb­beige Birnen gespalten in den Kompott­topf plumpsen
und Zimt­rin­den­duft aufsteigt.
Deine Hand war karminrot, deine Wangen hagebuttenfarben.

Schuldig blicken leder­braune Hunde­augen nach der Jagd auf,
es trieft die blass­rosa Schnauze, die in verbor­genen Öffnungen schnüf­felt,
nacht­schwarz steckt der kalte Griff der Waffe im Schaft.
Das Weich­selrot der Früh­stücks­tee­tasse zerspellt auf den kalk­weißen Fliesen,
nachdem sie dir vor Schreck aus der Hand geglitten war.
Tage später als der salz­weißen Narzissen Geruch,
tränkt der Hyazin­then dunkles Parfum die Früh­lings­luft.
Deine Hand war granatrot,
so wie der Asphalt auf der sie mahnte.

Bald schim­mern die ersten zart­grünen Blatt- (und Blüten) knospen wie zauber­hafte Geheim­nisse,
bevor sie wie pralle Maden aufspringen werden,
um sich zu dichtem Laub zu entfalten.
Die Ahnung, die sich dir aufdrängte, ward längst zur Wirk­lich­keit erkoren.
Werden bis dahin deine Hände wieder vernarbt sein,
damit sie ‑später im Sommer- die blut­roten Früchte von den Zweigen schütteln?

 

Andrea Penkhues

T H E

.Das

bin
im

nirgends
nah

irden
in
dem
trivialen

bin
nähren
im
bin

grin­send

irre
im
nie

ein
bin
drin

im
da
sinn
end ́.

 

Andrea Kers­t­inger

Die Omama

Mitn Schurz im Kuch­l­goatn
Bohn­schoadln brockn unterm Nussbam
imma oabeitn, nur net zvü Rost

Söbs­tgmochte Foschings­kropfen
Hali­gen­striezel und Suppen­nudln
an vujn Tölla füa jedn Gost

A Butter­semmal zum Fruas­tuck
Müch­kaffee mit drei Kandisin
zum Wiena Schnitzel an Opfelkompott

A Rock und a ojtrosa Pull­over
die Madonna am Gujd­kettal
dea tiefe Glaubn an Gott

Jedn Tog zur haligen Mess
und wenn net, wiad Rosn­kronz bet
niemojs vazogt, wej jo Gottes Wün zöht

A gonzes Leben füa die ondan
des Haus und des Herz vulla Liebe
die Omama, die föht!

prekrasne farbe

daj da
zlijem sve moje farbe
med tvoje
črno-bijele slike

ja kanim je
nadah­nuti sa žitkom
sa žitkom u svi svoji
sjenčanji

farben­pracht

lass mich
all meine farben
zwischen deine
schwarz-weiß-zeich­nungen schütten

ich möchte ihnen
leben einhau­chen,
leben, in all seinen
schat­tie­rungen

bezbojan

sve črno viditi
bijelo odibi­rati
a onda
se zeleno i plavo
jadati

farben­blind

schwarz sehen
weiß wählen
und sich dann
grün und blau
ärgern

Grund­satz­frage

Wenn a Schwe­chater
und a Otta­kringer
in Grin­zing an Wein trinken
stott an Bier,
san’s donn zwa G’spritzte?

ka föhla

monchmoi denk i ma
du bist a föhla
in meina biographie

donn frog i mi
ob i di anfoch so
auskillan kenntat

oba des warat
jo a net schena
dea lare fleck

drum bleib ma lieba zom
wei ma uns ergänzen
wia zwa

irgendwie

Rein beruf­lich

Wenn der Orni­tho­loge einen zwit­schert,
der Gärtner etwas begießt,
der Tier­arzt einen Kater hat,
und der Obst­bauer sich einen in die Birne schüttet,

wenn der Body­builder einen stemmt,
der Mara­thon­läufer sich voll­laufen lässt,
der Berg­steiger einen Absturz hat,
und der Bagger­fahrer einen kippt,

wenn der Lokführer einen guten Zug hat,
der Maschi­nist seine Gurgel schmiert,
der Instal­la­teur einen lötet,
und der Auto­me­cha­niker vorglüht,

wenn der Feuer­wehr­mann seinen Durst löscht,
der Mathe­ma­tiker sich die Kante gibt,
der Innen­ar­chi­tekt jemanden unter den Tisch trinkt,
und der Schuster einen Stiefel verträgt,

wenn der Schul­wart kübelt,
der Leer­gut­sor­tierer zur Flasche greift,
der Orgel­bauer sich einen rein­pfeift,
und der Koch einen Toast ausspricht,

wenn der Wirt­schafts­prüfer sich einen geneh­migt,
der HNO-Arzt seine Nase zu tief in den Becher steckt,
der Optiker zu tief ins Glas schaut,
und der Logo­päde jemandem die Zunge lockert,

dann sitzt keiner mehr auf dem Trockenen,
nicht einmal der Stukkateur.

 Das Los des Dichters

Geh, würz! Tram i? Na!
Bist scho wieder blau, Franky!
Sch…. Ich weiß, Burgunder.
Ich musste wieder spät lesen in St. Laurent.
Dann zeigte sie mir noch ihre Welt, Lina,
und wir waren beim Neuburger essen.
Was gab’s auf den Muskat­teller?
An Welsch, Ries­ling dazu.
Und dann ging’s in die Bar „Rick“.
Dort wart’s dann mehr als zwei, gelt?
Ja klar, es ist dann noch
der blaue Portu­gieser gekommen,
gemeinsam mit dem Sylvaner und dem Otto, nel.
Sagt der: „I bin no blanc,
geh dua doch mehr lo.“
No güh, weh!
Und dann war’s scho spät, Burgunder.
Und i war richtig blau, Burgunder.
I war net ganz rein, Ries­ling und so, weißt?
Und jetzt schreib i nur mehr an Gemischten Satz.
Des is schad, oh ne!

  

Die Gedichte von Andrea Kers­t­inger stammen aus: Finger­übungen. pannonisch.prosaisch.poetisch. Gedichte und Kurz­ge­schichten. Deutsch/Kroatisch. edition lex liszt 12: 2021. ISBN: 978–3‑99016–203‑3