Das BÖSe schlechthin
Vor einem Jahr im Sommer: Wir, das heißt, das BÖS-Team und die beiden Webdesigner Kathi und Martin besprechen die Fertigstellung und den Launch unserer neuen Website. Jemand, vermutlich Martin, schlägt vor, noch einen Blog hinzuzufügen. Natürlich, denken wir, alle unsere Mitglieder sind schreibende Menschen, die können doch bloggen: Rezensionen, Reflexionen, Literarisches und über unsere Aktivitäten! Aber, werfe ich ein, wir brauchen eine Redakteur*in, und zwar eine ehrenamtliche, weil bei uns fast alles – außer dem Unterrichten – ehrenamtlich gemacht wird. Brigitta meldet sich, danke Brigitta. Wir launchen die Website also mit Blog, veröffentlichen jede Woche einen, manchmal sogar zwei Blogartikel. Vor der Sommerpause bin nun ich dran.
Ich und auch nicht
Vor einem Jahr im Sommer: Mein Debütroman erscheint. Debütroman und Leiterin des Lehrgangs Schreibpädagogik, geht sich das aus? Wäre es nicht besser ich wäre ein „alter weißer Mann“ mit einer etwas längeren Publikationsliste, könnte man fragen, habe ich mich gefragt, habe mir selbst geantwortet, dass der Debütroman eigentlich mein viertes Buch ist, dass ich seit mehr als zehn Jahren Verschiedenes unterrichte usw. Vor allem: Dass es nicht um mich geht. Den Ansatz und die Inhalte der (Wiener) Schreibpädagogik habe nicht ich erfunden, sie wurden seit den 1980er-Jahren von verschiedenen Personen entwickelt und weiterentwickelt. Und ich bin nur eine von über 20 Unterrichtenden am BÖS. (Danke an alle Unterrichtenden!) Eine, die den Lehrgang zusammenhält. Alles andere hält Hannah zusammen, danke Hannah!
Wir
Wir, das BÖS-Team, sind mehr geworden: Zu Hannah, Brigitta und Peter, Erika, Claudia und Günter, sind Britta – mit ihrer langjährigen Erfahrung als Autorin und Schreibpädagogin – und Laura – mit ihrem frischen, jungen Blick – hinzugekommen. (danke an alle!) Es gibt Workshops von neuen Dozent*innen, neue Ideen, irgendwann vielleicht sogar ein neues Atelier. Neben dem Unterricht, den Veranstaltungen, der Website, dem Blog, dem Newsletter diskutieren wir über Literatur, über Literaturvermittlung, sind offen für Neues und nehmen sogar an Workshops von Kolleg*innen teil, um uns weiterzubilden und nicht zu vergessen, wie es ist, Teil einer (Schreib-)Gruppe zu sein.
Werbeeinschaltung: Hier geht’s zum Workshop-Programm, Anmeldung jederzeit möglich!
Die Anderen
Wenn ich mit schreibenden Kolleg*innen über die Bücher von Kolleg*innen diskutiere, fällt mir auf, dass ich in meinem Urteil vergleichsweise milde bin. Natürlich gibt es Bücher, die mich nicht interessieren oder die langweilen, Bücher, bei denen ich einiges weglektoriert hätte usw. Aber insgesamt überwiegt bei mir immer etwas in der Art wie: Respekt! (Die Autorin in mir.) Weiter so! (Die Schreibpädagogin in mir.)
Für den Fall, dass Bücher, mit denen ich überhaupt nichts anfangen kann, sehr erfolgreich sind, habe ich übrigens noch eine Sozialwissenschaftlerin in mir und für den Fall, dass jemand sich darüber beschwert, dass nicht die ganze Welt und nicht mal der Literaturbetrieb auf sein Buch gewartet hat, habe ich, nunja, ein gewisses Maß an Empathie, denn:
Muss man?
Ich hatte Glück. Ich habe einen guten Verlag. Ich wurde eingeladen zu lesen. Das Buch hat zahlreiche Rezensionen bekommen. Es gefiel meinen Freund*innen, vielen Kolleg*innen. Die Rezensionen waren positiv.
Bis auf die eine, die dem Buch vorwarf, zu gut zu sein. Kritisierte, dass es von jemandem geschrieben wurde, der es (das Schreiben) gelernt hat und es sogar unterrichtet. Die meinte, ich (die Autorin) hätte es gut gemacht, aber: Muss man (ich, die Autorin) es wirklich schreiben? Ich hatte Glück, wie gesagt, weil da all die anderen positiven Reaktionen waren und weil ich zu der Zeit andere Probleme hatte, aber: Was ist das für eine Frage?
Schreibschulen und das BÖSe schlechthin
Es geht natürlich nicht um mich. Wahrscheinlich nicht mal um mein Buch. Vielleicht um eine Kritik an sogenannten Schreibschulen. Ein Vorwurf an sogenannte Schreibschulen ist zum Beispiel, sie würden einheitliche Literatur für den Markt produzieren. Der BÖS ist keine Schreibschule. Schlimmer: Der BÖS bietet nicht nur Workshops für Schreibinteressierte, sondern sogar eine Ausbildung für Menschen an, die Schreiben unterrichten wollen. Der BÖS ist – für Gegner*innen von sogenannten Schreibschulen – also das Böse schlechthin.
Man muss.
In den Veranstaltungen des BÖS werden die Teilnehmenden angehalten zu experimentieren, auszuprobieren, was sie alleine nicht ausprobieren würden. Sie haben die Möglichkeit ihre Texte in einem geschützten Rahmen vorzulesen. Bekommen Feedback von den anderen Teilnehmenden. Müssen sich mit den Texten der anderen auseinandersetzen und lernen Feedback zu geben. Wohlwollend, kritisch und immer respektvoll. Dies ist wesentlicher Teil der Ausbildung zur Schreibpädagog*in. Die Teilnehmenden sind schon Autor*innen, oder wollen es werden, wieder andere schreiben (erstmal) nur für sich selbst.
Für mich und für Unbekannte
Ich erinnere mich, dass jemand, ich denke, es war der Webdesigner Martin, mich darauf hingewiesen hat, wie oft ich das Wort „muss“ verwende. Ich bin (meist) in der sehr glücklichen Lage, es falsch zu verwenden. Ich sage „Ich muss schreiben“ und meine damit „Ich will.“
Anderseits: Wer schreiben will, der muss. Und: Wer schreiben muss, der soll. Alleine oder in einer Gruppe. Am Schreibtisch, am Meer, bei einer Almhütte oder in einem Seminarraum. In einer der sogenannten Schreibschulen oder bei uns im BÖS-Atelier. Für andere, Unbekannte, vielleicht. Für sich selbst auf jeden Fall.
Barbara Rieger, Juli 2019
Foto: Barbara Rieger
Wenn ihr Unbekannte diesen Artikel bis zum Ende gelesen habt, dann freut mich das, denn ihr wollt oder müsst sicher auch anderes lesen oder tun. Schlafen, schwimmen, Geld verdienen, Zeit mit den Liebsten verbringen, demonstrieren oder ja, schreiben …!
Schönen Sommer wünschen Barbara Rieger und der BÖS!
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