Ahrer oder Der erkämpfte Traum – Luis Stabauer
Eine Rezension von Maria Aschenwald
Es beginnt mit einer grausamen Hinrichtung. Sepp Ahrer, Arbeiterführer und Mitglied des Schutzbundes, wird nach der Niederschlagung des Arbeiteraufstandes in Steyr standrechtlich zum Tod am Galgen verurteilt. Ernst Rüdiger Starhemberg, der Befehlshaber der Heimwehr, lässt das Urteil am 17. Februar 1934 sofort vollstrecken.
Sepps Schwester Maria, auch politisch engagiert, sieht im antidemokratischen Ständestaat keine Zukunft mehr für sich und flüchtet nach Urugay. Auf der Überfahrt lernt sie Pino, ihren späteren Mann, kennen, der vor den italienischen Faschisten fliehen musste. Ihr gemeinsames Kind José wird in Montevideo geboren. Sie lassen sich auf einem Bauernhof in der Nähe der Stadt nieder und gründen eine Kooperative.
Eine gemeinsam geplante Aktion in Buenos Aires, die auf Starhembergs Rolle bei der Hinrichtung Sepp Ahrers hinweisen soll, wird verraten und Pino von den Schergen der Militärdiktatur ermordet.
Maria muss sich mit José alleine durchschlagen, lebt mit ihm einige Jahre in Chile und kehrt dann wieder auf ihren Bauernhof zurück. Seit 1926 hat Maria Tagebücher geführt, die sie ihrem Sohn zum 20. Geburtstag übergibt. Sie erzählt ihm viel von ihrem Bruder.
Auch José wird schon früh politisch aktiv, kämpft für eine demokratische Gesellschaft und gegen Faschismus. Er ist Mitbegründer der Stadtguerilla, geht in den Untergrund und wird während der Militärdiktatur inhaftiert und gefoltert. Als er nach 14 Jahren freikommt, sind sein Engagement und sein Idealismus ungebrochen. Er nimmt seine politische Tätigkeit wieder auf und wird schließlich Staatspräsident von Urugay. Vorbild für diese Figur ist der historische José Mujica, „El Pepe“ – Präsident von Urugay von 2010 bis 2015.
In seinem historisch-fiktionalen Roman spannt Luis Stabauer einen Bogen von den elenden Verhältnissen und dem Aufstand der Arbeiter*innen der Steyr-Werke in den 1920er Jahren bis zu deren heutiger Situation. Ebenso verbindet er den Kampf der Arbeiterbewegung für Demokratie und soziale Gerechtigkeit in Österreich mit den sozialen Bewegungen und dem Kampf gegen Faschismus und Militärdiktatur in Lateinamerika, speziell in Urugay.
Ein ausgezeichnet recherchierter Roman, der politische und soziale Verhältnisse und Bewegungen erlebbar nahebringt und ein engagiertes Statement für Demokratie und Gerechtigkeit.
Luis Stabauer, geboren 1950, lebt in Wien und in Seewalchen am Attersee. Er ist Autor, Schreib-Coach und (Literatur)Moderator und beschäftigt sich vor allem mit zeitgeschichtlichen Fragen, im Speziellen mit Bewegungen und Menschen aus Europa und Lateinamerika. Er ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung (GAV), von Podium Literatur, IG Autor’innen und von Buch13.
Maria Aschenwald, März 2023
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich.
Luis Stabauer: Ahrer oder der erkämpfte Traum
Wien: Hollitzer Verlag Erscheinungsjahr 2023
216 Seiten
22 EURO
ISBN 978–3‑99094–066‑2