Brodi 1, Das Gedächtnis des Ortes, Ein öster­rei­chi­sches Haus (er)klärt seine Geschichte

Eine Rezen­sion von Brigitta Höpler

Brodi 1: die 126-jährige Geschichte eines Hauses im Loibltal  seit 2015 in unter­schied­li­chen Episoden verge­gen­wär­tigt, 2022 in Buch­form gebracht.

Auf der Einla­dung zur Buch­prä­sen­ta­tion steht die Auffor­de­rung „DEN (Ver-)HANDLUNGS-(spiel-)RAUM AUSDEHNEN“. Genau das haben Petra Kohlen­prath, ihre Schwester Renate Rogi-Kohlen­prath und der Verein Rhizom gemacht.

Sie sind mit Petra Kohlen­praths Text „Na pamet – Aus dem Gedächtnis einer Slowe­nisch-Deutsch schwei­genden Familie“ zurück ins Groß­el­tern­haus im Loibltal gegangen;  geschrieben 2015 im Auftrag des Schau­spiel­hauses Graz zum 60. Jubi­läums des öster­rei­chi­schen Staatsvertrages .

Sie haben die Geschichte und Geschichten rund um das Haus in die Hand genommen, neu verhan­delt und etwas nach vorne geworfen, im Wort­ur­sprung von „Projekt“: Entwurf, Plan, Vorhaben. Aus lat. proiectum, das nach vorne Gewor­fene“ Das Projekt Inter­fe­renzen hat begonnen, in mehreren Episoden und Schwer­punkten, mit jähr­li­chen Veranstaltungen.

Sie bewegten sich entlang der Fragen, was dieses seit Jahr­zehnten unbe­wohnte Haus für eine Zukunft haben kann, was dort alles gespei­chert ist, welche Bedeu­tung das für die Familie, aber auch für den Ort hat. Sie dehnten den Raum für indi­vi­du­elles, aber auch kollek­tives Erin­nern, in ausführ­li­chen Recher­chen, Gesprä­chen und Begegnungen.

Das Haus Brodi 1 zeigt sich als Schnitt­stelle für die belas­tete Kärntner Geschichte. Das Haus in unmit­tel­barer Nach­bar­schaft zur früheren KZ-Außen­stelle Loibl Nord. Das Haus als Heimat einer öster­rei­chisch-slowe­ni­schen Familie, die das Schweigen immer wieder gebro­chen hat. Das Haus, jetzt ein Zuhör- und Erzählraum.

Da ist die Geschichte vom Groß­vater Paul Kollen­prat, der bei den Parti­sanen gekämpft hat und als Wider­stands­kämpfer der Todes­strafe knapp entkommen ist. Ein Text des Schrift­stel­lers Alois Hotschnig porträ­tiert den Vater Hanzi Kohlen­prath. Ein Kapitel erzählt von Migra­tion am Beispiel des Büch­sen­ma­chers Tona Kohln­prat, ein anderes widmet sich den Frauen der Familie.

Der Beitrag der Histo­ri­kerin Eva Tropper betrachtet die Geschichte anhand der Fülle von Post­karten in der Familie Kohlen­prath. Der Histo­rier Danijel Grafe­nauer schreibt über Kärntner Slowenen als Flücht­linge nach der Volks­ab­stim­mung 1920.

Das Buch endet mit „Neuen Erin­ne­rungen“ – eine Foto­strecke zu den Inter­fe­renzen von 2015 bis 2021. Als letztes ein doppel­sei­tiges Foto: die Eckbank, zwei Sessel, der Tisch in Stube, mit Tisch­tuch, in der schlichten Glas­vase eine Rose.

 

Brigitta Höpler, März 2023

Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfas­se­rInnen verantwortlich.

 

Brodi 1, Das Gedächtnis des Ortes. Kraj in njegov spomin. Ein öster­rei­chi­sches Haus (er-)klärt seine Geschichte.
Eigen­verlag Rhizom: Graz 2022
172 Seiten 
20 EURO
ISBN3-9502028–4‑6

 

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