Annas Mitgift: Ein Memoir – Maria Kandolf-Kühne
Eine Rezension von Kathrine Bader
Dieses Memoir ist der Großmutter der Autorin gewidmet. Es setzt im Jahr 1905 mit dem Sterben der Mutter Annas bei der Geburt ihres letzten Kindes an:
„Anna weiß genau, dass irgendetwas nicht stimmt mit der Mama – und jetzt dürfen sie nicht ins Schlafzimmer und auch das neue Geschwisterchen zeigen sie ihnen nicht.“ (Seite 8)
Es endet mit Annas eigenem Tod:
„Anna kann erst sterben, wenn alle Blätter gefallen sind und von ihr fast gar nichts mehr da ist. Sie bekommt ein eigenes Grab in Bürs. Sie wollte nicht zurück nach Feldkirch ins Grab der Hofstätters.“ (Seite 110)
Gespeist ist das Buch aus den Erzählungen der Großmutter, deren Schwestern und Zwillingstöchtern.
Wie ein roter Faden zieht sich durch das Memoir das Motiv der Kränkung Annas durch die Verweigerung der Mitgift in Form von Hartholzmöbeln; daher auch der Titel. Ihr Vater und seine zweite Frau, Annas Stiefmutter, sind nämlich gegen ihre Heirat mit Peppo, der – wie sich bald herausstellt – seinen Verdienst lieber ins Wirtshaus trägt. Ihre Hoffnung, den Ehemann durch ein gemütlicheres Zuhause, als er es in seiner Kindheit erlebt hat, positiv beeinflussen zu können, muss sie im Laufe der Jahre aufgeben. So ist Anna gezwungen, das Haushaltseinkommen mit Näharbeiten aufzubessern. Schon als Kind hatte sie es nicht leicht, wird sie doch aus der sechsten Klasse abgemeldet, obwohl sie so gut und gern lernt. Stattdessen muss das zarte Mädchen in der Gastwirtschaft ihres Vaters mithelfen. Doch trotz ihres nicht einfachen Daseins kann Anna eine gewisse Autonomie erlangen, wodurch das Buch auch als „feministischer Entwicklungsroman“ gelesen werden kann.
Das Memoir ist in der Personalform, hauptsächlich aus der Sicht Annas geschrieben – einfühlsam, doch keineswegs sentimental. Es besticht nicht nur durch die lebendige Beschreibung eines typischen Frauenschicksals in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern auch durch den adäquat getroffenen Sprachduktus sowie die Charakterdarstellungen. Selbst in Vorarlberg aufgewachsen, lässt die studierte Historikerin Maria Kandolf-Kühne Lokalkolorit einfließen und vermittelt einen Einblick in die Zeitgeschichte auch durch die eingefügten Bilder und Fotos.
Kathrine Bader, März 2024
Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich.
Maria Kandolf-Kühne – Annas Mitgift: Ein Memoir
Wien: Buchschmiede 2023
112 Seiten
12,90 EUR
ISBN-13: 978–3991529286
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